Liberale in tiefer Krise Genscher: FDP muss sich schnell erneuern

berlin · Während der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki schwere Kritik an der zurückgetretenen Parteiführung übt, dringt der FDP-Ehrenvorsitzende Hans-Dietrich Genscher auf einen raschen Wiederaufbau seiner Partei.

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Foto: dpa/Sebastian Kahnert

"Der sich erneuernden FDP wird viel Zeit auch deshalb nicht bleiben, weil keineswegs feststeht, dass die nächste Bundestagswahl erst in vier Jahren stattfindet", schrieb der langjährige FDP-Außenminister am Mittwoch in einem Gastbeitrag für "bild.de".

Denn auch SPD, Grüne und die Union von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stünden vor großen Herausforderungen. "Das alles wird Regierungsbildung und Regierungsarbeit nicht erleichtern." Den erstmaligen Rauswurf der FDP seit 1949 aus dem Bundestag bezeichnete Genscher als "dunkelste Stunde der Parteigeschichte". Auf den wahrscheinlichen neuen FDP-Chef Christian Lindner, den Genscher seit langem fördert, warte eine Mammutaufgabe. "Jetzt heißt es: Lindner an die Front. Das ist mehr als ein Personalwechsel."

Lindner ist FDP-Landes- und Fraktionschef in Nordrhein-Westfalen. Er kandidiert für die Nachfolge von Philipp Rösler, der am Montag mit der gesamten Parteiführung zurückgetreten war. Nicht alle in der FDP wollen dem 34-Jährigen aber Hals über Kopf die ganze Partei anvertrauen.

So warnte der sächsische FDP-Chef Holger Zastrow vor Schnellschüssen. Lindner habe der Partei ein sehr interessantes Angebot gemacht: "Aber mir geht das im Moment alles ein bisschen zu schnell. Wir müssen nicht unbedingt jetzt schon wenige Stunden nach dem Debakel eine neue Führungsmannschaft präsentieren", sagte Bundesvize Zastrow im Sender MDR Info. Die Liberalen sollten zunächst "ein bisschen Demut zeigen". Zu eigenen Ambitionen auf den Parteivorsitz äußerte sich Zastrow ausweichend.

Der rheinland-pfälzische FDP-Landeschef Volker Wissing sagte im dpa-Interview: "Ich halte Christian Lindner für einen Glücksfall für die FDP." Die FDP sei unverändert eine wertvolle Marke. "Und wir müssen uns jetzt auf Bundesebene personell erneuern und unser Markenprofil wieder pflegen."

Neue Führung soll noch 2013 gewählt werden

Die künftige Parteiführung soll noch dieses Jahr auf einem Parteitag gewählt werden. In Niedersachsen starteten FDP-Mitglieder einen Aufruf, die Basis in einem Mitgliederentscheid über den neuen Bundesvorsitzenden entscheiden zu lassen. Das ist laut Satzung aber nicht möglich.

Ambitionen auf einen Platz im Führungsteam hat neben dem Kieler Fraktionschef Wolfgang Kubicki auch die Hamburger FDP-Politikerin Katja Suding. "Auch ich bin bereit, noch mehr Verantwortung in der Bundespartei zu übernehmen", sagte sie dem "Hamburger Abendblatt".

Kubicki schießt scharf

Der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki ist mit der abgetretenen Parteiführung hart ins Gericht gegangen. Die FDP sei zuletzt "am Rande ihrer Selbstachtung" gewesen, sagte der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionschef dem "Stern". Aufgabe der künftigen Parteiführung sei es, "der FDP das Selbstbewusstsein zurückzugeben, das sie insbesondere in der letzten Woche vor der Wahl verloren hat". Damit spielte Kubicki auf die Zweitstimmen-Kampagne der Liberalen an.

Ohne den am Montag beschlossenen Neustart "hätten uns viele verlassen, innerlich waren sie sowieso schon weg", sagte Kubicki weiter. "Die FDP wäre implodiert. Diese Gefahr bannen wir gerade." Kubicki strebt das Amt des stellvertretenden Parteichefs an.

Auf die Frage, was Lindner und ihn von der alten FDP-Führung unterscheide, sagte Kubicki: "Ich habe gelesen, dass wir einen sympathischeren Eindruck hinterlassen. Das ist ja schon mal die halbe Miete." Er fügte hinzu: "Ich höre auch aus dem akademischen Milieu, dass es interessant ist, mit uns zu diskutieren. Das sind Menschen, die wir komplett verloren haben."

Lindner wirke zwar "gelegentlich etwas überintellektuell", sagte Kubicki. Das werde aber "mit der Zeit verschwinden".

Die gesamte FDP-Führung war am Dienstag als Reaktion auf das verheerende Ergebnis der Partei bei der Bundestagswahl zurückgetreten. Die FDP war an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert und ist nun erstmals nicht im Bundestag vertreten.

(dpa/AFP)
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