Generaldebatte im Bundestag Merkel fordert rasche Rückkehr zu „normaler Haushaltsführung“ und wirbt für europäische Asylreform

Berlin · Bei der Generaldebatte des Bundestages hat Kanzlerin Merkel angesichts der hohen Neuverschuldung eine rasche Rückkehr zur Schuldenbremse gefordert. Zudem kündigte sie ein baldiges Treffen mit der belarussischen Oppositionspolitikerin Tichanowskaja an. Die Asylreform nannte sie einen „Prüfstein für den Zusammenhalt Europas“.

 Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht während der Generaldebatte zum Bundeshaushalt im Bundestag.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht während der Generaldebatte zum Bundeshaushalt im Bundestag.

Foto: dpa/Michael Kappeler

„Wir müssen so schnell wie möglich wieder zu einer normalen und verfassungsgerechten Haushaltsführung zurückkehren“, sagte Merkel am Mittwoch in der Generaldebatte des Bundestags. In der gegenwärtigen Lage sei die hohe Schuldenaufnahme aber „das Richtige“, sagte sie.

Es gehe darum, in der Krise in ein „innovatives Deutschland“ zu investieren und den „gesellschaftlichen Zusammenhalt im Land zu stärken“, sagte die Kanzlerin. Der Bundeshaushalt stehe derzeit ganz im Zeichen der Bewältigung der Pandemie. „Wir konnten in einer außergewöhnlichen Situation schnell und kraftvoll reagieren, gerade weil wir in den vergangenen sechs Jahren Haushalte ohne Neuverschuldung hatten“, sagte sie weiter.

Der Etatentwurf von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) für 2021 sieht 96,2 Milliarden Euro an neuen Schulden vor. Für das laufende Jahr hatte sich Scholz mit zwei Nachtragshaushalten bereits die Möglichkeit gesichert, 218,5 Milliarden Euro an frischen Krediten aufzunehmen. Dafür wurde die in der Verfassung festgeschriebene Schuldenbremse ausgesetzt, welche der staatlichen Neuverschuldung Grenzen setzt.

Zudem hat die Bundeskanzlerin vor einer Zunahme internationaler Spannungen infolge der Coronakrise gewarnt. Die internationale Politik habe es derzeit mit einer „zum Teil sehr aggressiven Welt“ zu tun, sagte Merkel. Die multilaterale Zusammenarbeit stehe „an vielen Stellen unter einem erheblichen Druck“. „Einen solchen Druck haben wir in den vergangenen Jahrzehnten nicht gehabt“, sagte sie weiter. „Die Pandemie kann solche Entwicklungen noch verstärken.“

Deshalb sei es aus ihrer Sicht „ganz wichtig, dass wir uns gegen die Tendenzen zur Renationalisierung und zum Protektionismus stemmen“, sagte Merkel. „Das ist für mich die Stunde Europas, hier ist Europa gefragt.“ Europa könne auf ein „gemeinsames Wertefundament setzen“ und müsse deshalb die internationale Zusammenarbeit forcieren.

„Wir haben eine Vielzahl von internationalen Herausforderungen, die wir alle nicht allein, als einzelnes Land, als Bundesrepublik Deutschland wuppen können“, sagte Merkel. Deutschland allein könne in der Welt nur „sehr wenig ausrichten“.

Merkel hat bei der Debatte auch ein baldiges Treffen mit der belarussischen Oppositionspolitikerin Swetlana Tichanowskaja angekündigt. In der Rede vor dem Bundestag verurteilte sie die „Gewalt gegen die Opposition“ in dem osteuropäischen Land. „Wir verurteilen, was dort täglich passiert“, sagte sie. Sie wolle sich „demnächst" mit Tichanowskaja treffen, um über die Lage zu sprechen.

Merkel zollte der Opposition in Belarus Respekt. „Wenn man den Mut der Frauen sieht, der dort auf den Straßen gezeigt wird für ein freiheitliches und von Korruption freies Leben, dann kann ich nur sagen: Ich bewundere das, ich finde das wirklich beeindruckend.“ Sie forderte die Regierung von Präsident Alexander Lukaschenko abermals auf, einen „Dialog mit dem Volk“ zu starten.

Merkel hat außerdem dringlich für die vorgeschlagene Reform der europäischen Asylpolitik geworben. Es gehe um ein kompliziertes Problem, das Europa noch „für die gesamten nächsten Jahrzehnte“ beschäftigen werde, sagte die CDU-Politikerin.

Sie sei dankbar für die Vorschläge der Brüsseler EU-Kommission für eine Reform, sagte Merkel. „Die Frage, wie wir das umsetzten, ist ein Prüfstein auch für den Zusammenhalt Europas“, sagte sie. „Wenn wir auf Dauer in der Frage der Migration keine gemeinsame Grundlage zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union finden, ist das eine schwere Bürde für die Handlungsfähigkeit Europas.“ Die nationalen Regierungen können sich seit Jahren nicht auf eine gemeinsame Linie einigen.

Die EU-Kommission hatte in der vergangenen Woche einen Vorschlag für eine neue Asyl- und Migrationspolitik vorgelegt, der Länder wie Italien und Griechenland vor allem bei der Rückführung von Menschen ohne Bleiberecht entlasten soll. Zugleich will die EU-Behörde, dass alle EU-Staaten ihren Beitrag zur Migrationspolitik leisten. Dazu sollen Länder, die keine Migranten aufnehmen möchten, unter anderem die Rückführung abgelehnter Asylbewerber sichern.

Merkel sprach auch von „schrecklichen Bildern“ von der griechischen Ägäisinsel Moria, wo vor drei Wochen ein Flüchtlingslager abgebrannt war und Tausende über Nacht obdachlos wurden. Die griechischen Behörden gehen von afghanischen Migranten als Brandstiftern aus. Union und SPD verständigten sich darauf, 1553 Flüchtlinge von fünf griechischen Inseln aufzunehmen. „Ich glaube, es war richtig, dass Deutschland hier gehandelt hat und humanitär geholfen hat, wenngleich wir natürlich wissen, dass das keine nachhaltige Lösung des Problems ist“, sagte Merkel.

Es sei wichtig, dass nun auf der Insel Lesbos ein weitgehend europäisch geleitetes Migrantenlager als „Pilotprojekt“ entstehen solle, sagte Merkel.

(ahar/AFP/dpa)
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