Von Afrodeutsch bis Zigeuner ABC der Diskriminierung – welche Begriffe was bedeuten

Düsseldorf · Seit dem Tod von George Floyd wird wieder intensiv über Rassismus diskutiert – auch über rassistische Muster in der Alltagssprache. Sprachliche Geringschätzung aber begegnet uns auf vielen Feldern und politische Korrektheit ist nur der Versuch, diese Geringschätzung zu vermeiden. 19 Beispiele.

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Das sind die verschiedenen Flaggen der LGBTQ-Community

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Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Afrodeutsch

Eine Selbstbezeichnung von schwarzen Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben oder/und deutsche Staatsbürger sind. Der Begriff ist emanzipatorisch und stand am Anfang der organisierten Schwarzen Bewegung in Deutschland. Er macht darauf aufmerksam, dass Deutschsein nicht automatisch mit Weißsein gleichzusetzen ist.

Alter weißer Mann

Die Schriftstellerin Sophie Passmann hat ein Buch mit dem Titel „Alte weiße Männer“ geschrieben, in dem sie diesen Typus charakterisiert als Person, die noch nie wegen äußerlicher Eigenschaften Diskriminierung erfahren hat. Der Begriff bezeichnet auch eine Gruppe Privilegierter, die sich jeder Änderung dieses Zustands entgegenstellt. Der Begriff mag abschätzig sein, wird aber von vielen Betroffenen selbstironisch verwendet.

Behindert

Menschen, die in ihren geistigen oder körperlichen Fähigkeiten beeinträchtigt sind, wurden lange einfach „Behinderte“ genannt. Das Adjektiv ist weiter in Gebrauch, etwa bei Eltern in der Inklusionsdebatte. „Die Behinderten“ allerdings hört man kaum noch; das gilt vielen als Reduzierung auf eine einzelne Eigenschaft. Zudem wird debattiert, ob nicht eher die Umwelt (etwa weil Umbauten fehlen) die Menschen behindere. Gebräuchlicher sind die Wendungen „behinderte Menschen“ und „Menschen mit Behinderung“. Als Begründung für die letzte Formulierung ist oft zu hören, sie stelle die Personen auch sprachlich in den Vordergrund und reduziere sie nicht auf ihre Behinderung.

Eskimo

Woher der Name für die indigenen Völker der Arktis kommt und was er bedeutet, ist unklar – vermutlich handelt es sich um eine Fremdbezeichnung. Viele, die damit gemeint sind, verstehen den Begriff als exotisch-abwertend. In Kanada und Grönland ist inzwischen die Bezeichnung „Inuit“ („Menschen“) gebräuchlich, von der sich aber wiederum andere Gruppen, etwa die Yupik in Alaska, nicht unbedingt mitgemeint fühlen. Manche ziehen „Eskimo“ als (Kultur-)Bezeichnung vor. Die Lage ist kompliziert – der „richtige“ Name variiert regional.

Farbig

Die Bezeichnung „farbig“ oder „colo(u)red“ für schwarze Menschen ist abwertend und dazu noch kurios. Denn sie impliziert, dass weiße Menschen keine Farbe hätten. Die Bezeichnung „Farbige/r“ ersetzte ab den 1960er Jahren das sogenannte N-Wort („Neger“), das schon damals als nicht opportun galt. Im Apartheidsystem Südafrikas oder in angelsächsischen Ländern mussten und müssen Menschen oft angeben, zu welcher „race“ (im Deutschen etwas ungenau mit „Rasse“ zu übersetzen) sie gehören. Eine Kategorie ist „colo(u)red“. Manchmal wird sogar zwischen schwarz, farbig, hispanisch, asiatisch oder anders („other“) unterschieden. Das zeigt, wie fragwürdig und obsolet der „Rasse“-Begriff ist. In Deutschland gibt es in amtlichen Dokumenten keinen schriftlichen Hinweis auf die Hautfarbe.

Gender

Vereinfacht gesagt bedeutet „Gender” soziales Geschlecht. Wir alle haben zwar körperliche Merkmale, von denen auf ein biologisches Geschlecht geschlossen werden kann. Ob jemand als männlich oder weiblich wahrgenommen wird, hängt aber eher mit gesellschaftlichen Erwartungen zusammen. Die Mehrheitsmeinung ist wohl: Schminken? Eher weiblich. Fußballspielen? Eher männlich. Zu Irritationen kommt es, wenn die eigene Geschlechtsidentität nicht mit den Erwartungen anderer übereinstimmt. Beispiel: Ein Mensch mit kurzen Haaren und tiefer Stimme schminkt sich gern. Menschen, die sich dem Gender zugehörig fühlen, das ihnen bei der Geburt zugeschrieben wurde, nennt man auch „Cisgender”.

Homosexuell

Das Wort für Menschen, die sich zum „gleichen Geschlecht“ (das bedeutet das Wort) hingezogen fühlen, sehen manche Homosexuelle reserviert: Erstens schwingt für viele noch der abwertende „Homo“ mit, zweitens klingt vielen „Homosexuelle“ als Gruppenbezeichnung wie eine Reduzierung – ähnlich wie beim Begriff „Behinderte“. Homosexualität bleibt aber als neutral-wissenschaftliche Bezeichnung korrekt – wenn sie alle Geschlechter meint. Anders also als bei der missglückten, möglicherweise fiktiven Anrede, die verschiedenen Politikern zugeschrieben wird: „Liebe Homosexuelle, liebe Lesben!“

Intersexuell

Wenn ein Kind geboren wird, kann das biologische Geschlecht meist eindeutig anhand der primären Geschlechtsorgane bestimmt werden. Menschen, bei denen das nicht so eindeutig ist, werden als „intersexuell”, „intergeschlechtlich” oder „inter*” bezeichnet. In Deutschland leben nach Schätzungen zwischen 8000 und 120.000 intersexuelle Menschen. Sie wehren sich gegen „normalisierende“ Operationen an den Genitalien. Hier werden uneindeutige Genitalien so verändert, dass sie mit herkömmlichen Vorstellungen übereinstimmen – obwohl sehr selten eine medizinische Notwendigkeit vorliegt. Viele intergeschlechtliche Menschen empfinden die Eingriffe als Verstümmelung oder Kastration. Häufig passieren diese Eingriffe im Säuglings- oder Kindesalter – teils wegen fehlender professioneller Beratung.

LGBT

Es handelt sich hierbei um eine Abkürzung für die englischen Begriffe „lesbian” („lesbisch”), „gay” („schwul”), „bisexual” („bisexuell”) und „trans”. LGBT, auf Deutsch LSBT, ist eine Selbstbezeichnung aller Menschen, die ihr Geschlecht und/oder ihre Sexualität nicht den traditionellen Rollenbildern von Mann und Frau zuordnen können. Und es ist ein Oberbegriff, der sexuelle Vielfalt abbilden will. Die Langform „LGBTIQ*“ schließt zusätzlich die Begriffe „intersexuell” und „queer” ein. Das Sternchen am Ende soll als Platzhalter dienen – für Menschen, die sich der LGBT zugehörig fühlen, sich aber zu keiner der genannten Gruppen zählen.

Mohr

„Mohr“ ist zunächst ein altes Wort für schwarze Menschen, vom lateinischen „Maurus“, was eigentlich Nordwestafrikaner meinte. In diesem Sinne wird das Wort von Schwarzen als rassistisches Stereotyp empfunden, ähnlich wie „Neger“. Die umstrittene Mohrenstraße in Berlin könnte ihren Namen von dort haben, während sich die Kölner Mohrenstraße auf die Märtyrer der Thebäischen Legion um Mauritius (häufig als Schwarzer dargestellt) zurückführt. In der öffentlichen Sprache dürfte der „Mohr“ schwer zu halten sein. Der klischeehafte „Sarotti-Mohr“ ist schon seit 2004 ein „Sarotti-Magier“, mit goldener statt schwarzer Haut.

Nafri

Um die Bezeichnung „Nafri“ wurde in der Bundesrepublik in der Debatte um die Aufarbeitung der Kölner Silvesternacht gestritten. Dabei waren die Angaben etwa der Kölner Polizei widersprüchlich, ob „Nafri“ nun „nordafrikanischer Intensivtäter“ bedeutet (dann wäre es ein eher neutrales Kurzwort, ähnlich wie „Limos“, die „linksmotivierten“ Straftäter) oder schlicht „Nordafrikaner“ (dann wäre es eine abfällig zu verstehende Kurzbezeichnung für eine Personengruppe, also abzulehnen, ähnlich wie „Fidschis“ oder „Itaker“). Eine offizielle Definition fehlt jedenfalls; der Duden führt das Wort ebenfalls nicht.

Neger

Das Wort leitet sich vom lateinischen „niger“ ab, was „schwarz“ bedeutet, und wurde zunächst von spanischen und portugiesischen Sklavenhändlern zur pauschalen Bezeichnung von Afrikanerinnen und Afrikanern verwendet. In Deutschland taucht der analoge Begriff „Neger“ erstmals Anfang des 17. Jahrhunderts auf, parallel zum Begriff „Rasse“. Er hat sich in Zeiten der heute überholten Rassentheorien spätestens im 19. Jahrhundert als Fremdbezeichnung für schwarze Menschen in Deutschland eingebürgert. Es war nie als neutrale Bezeichnung gemeint, sondern wertete Menschen aus Afrika ab und legitimierte letztendlich deren Versklavung und Kolonialisierung. Das „N-Wort“ ist eine Beleidigung; viele Schwarze wollen es überhaupt nicht mehr genannt sehen. Wiederholt haben sich schwarze Menschen vor deutschen Gerichten erfolgreich gegen diese Bezeichnung zur Wehr gesetzt. Eine Entscheidung des Landesverfassungsgerichts in Mecklenburg-Vorpommern 2019, die in dem Wort nicht automatisch eine Beleidigung sah, wurde von Antirassismus-Initiativen und Selbstorganisationen schwarzer Menschen scharf kritisiert.

Nigger

Das aus dem Amerikanischen stammende Schimpfwort ist in noch stärkerer Weise als das N-Wort eine rassistische Beleidigung. Darüber gibt es auch vor Gerichten kaum noch Diskussionen. Ein Feldwebel der Bundeswehr, der einen schwarzen Kollegen mit diesem Wort beleidigt hatte, wurde 2013 vorzeitig aus dem Dienst entlassen. Eine Aneignung und Umdeutung erfuhr das Wort durch Schwarze in den USA, indem sie es als Selbstbezeichnung einführten.

People of Color (PoC)

Das ist eine Selbstbezeichnung von Menschen, die in unserer Gesellschaft mit Rassismus konfrontiert wurden. Color ist nicht gleichzusetzen mit „farbig“. Der Begriff ist ein politischer, und Menschen, die sich als „People of Color“ bezeichnen, fordern gleiche Rechte und eine volle Teilhabe.

Queer

Dieser Begriff war im Englischen lange ein Schimpfwort für schwule Männer. Mittlerweile wird er positiv als Selbstbezeichnung von Menschen verwendet, die Offenheit für eine Vielfalt der Geschlechter und der Sexualitäten zeigen möchten und ihre Identität „außerhalb der gesellschaftlichen Norm“ sehen. In der Soziologie will die „Queer Theory” das, was viele Menschen als Normalität ansehen, hinterfragen – etwa dass es nur Männer und Frauen gibt oder dass diese Geschlechter sich stets gegenseitig lieben.

Schwul

Schwule sind Männer, die Sex mit Männern haben (wollen). Klingt einfach, ist aber nicht ganz einfach. Einmal, weil „schwul“ häufig immer noch pauschal abwertend gebraucht wird („voll schwul“, „schwule Sau“), aber auch, weil das Wort eine lange Reise hinter sich hat. Es war ursprünglich, was es teils wieder oder noch ist: eine Diffamierung, vielleicht abgeleitet von „schwül“, also verwandt mit dem „warmen Bruder“. „Umgedreht“ haben das Wort dann die Schwulen selbst: zur normalen Selbstbezeichnung. In diesem Sinn fällt „schwul“ oder „gay“ heute in dieselbe Kategorie wie „hetero“: als neutrales Unterscheidungsmerkmal.

Tinker

Der Begriff ist eine Fremdbezeichnung für eine soziokulturelle Gruppe von Menschen, die von Ort zu Ort ziehen und meist irischen Ursprungs sind. Tinker ist als Begriff inzwischen diskriminierend. Er stammt vom englischen Wort „tinplate“ („Weißblech“) und ist am ehesten mit dem deutschen Wort „Kesselflicker“ vergleichbar. Die neutrale Bezeichnung ist Traveller, die Eigenbezeichnung der fahrenden Gruppe lautet Pavee.

Trans

Das Wichtigste vorweg: „Trans” ist nicht dasselbe wie „Transgender” oder „Transsexualität”. Vielmehr ist „trans” – häufig „trans*” geschrieben, um mehr Menschen einzuschließen – ein Oberbegriff für eine Vielzahl an Gender-Identitäten. Diese Menschen eint, dass sie ein anderes Geschlecht haben als jenes, das zunächst von anderen Personen angenommen wurde, etwa bei der Geburt. „Transsexualität“ bezeichnet etwa Menschen, die sich einem anderen biologischen Geschlecht zugehörig fühlen. „Transgender“ hingegen begreifen sich meist außer­halb dieser klaren Zweigeschlechtlichkeit. Allerdings ist dieser Begriff weniger genau gefasst und wird teils synonym mit „trans“ verwendet. Teil der Trans-Identität kann es sein, körperliche Merkmale so anzupassen, dass sie besser zum Selbstbild passen – etwa durch eine Operation oder die Einnahme von Hormonen. Längst nicht allen Trans-Personen ist das aber wichtig.

Zigeuner

Der Begriff stammt aus dem Mittelalter, war aber offenbar nie eine Selbstbezeichnung und zudem häufig abwertend gemeint. Schon das diskreditiert ihn, erst recht aber der Sprachgebrauch der Nationalsozialisten, die „Zigeuner“ zu Menschen „minderer Rasse“ erklärten und vermutlich Hunderttausende ermordeten. In der Alltagssprache ist häufig „Sinti und Roma“ als Ersatzbegriff zu hören, auch als Selbstbezeichnung, wobei „Sinti“ als Untergruppe der Roma verstanden werden kann. Die Initiative „Neue Deutsche Medienmacher*innen“ empfiehlt daher die Formulierungen „Roma-Gruppen“ oder „Roma-Minderheiten“.

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