Zwei Jahre nach der Einführung Gemischte Bilanz für Freiwilligendienste

Berlin · Es war eine Neuerung immensen Ausmaßes: Vor genau zwei Jahren ersetzten Freiwilligendienste den Zivildienst und die Wehrpflicht. Doch nach dem zunächst enormen Anlauf auf die vorhandenen Stellen, ist bei vielen Diensten und auch in der Bundeswehr inzwischen die Realität eingekehrt. Die Bilanz auf beiden Seiten fällt gemischt aus.

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Foto: AP

Für die Bundesfamilienministerin steht es fest: Auch zwei Jahre nach seiner Einführung ist der Bundesfreiwilligendienst ein voller Erfolg. Sowohl im ersten als auch im zweiten Jahr habe es jeweils 35.000 Freiwillige gegeben — also genauso viele wie auch Stellen von der Politik vorgesehen waren. Auch sei der Anteil der neuen Zielgruppe der über 27-Jährigen auf mehr als 40 Prozent angestiegen, konstatierte sie erst vor wenigen Tagen.

Doch nicht alle sind zufrieden mit der inzwischen nicht mehr ganz so neuen Dienstleistung. In der Politik kommt Kritik von der Linken, aber auch in der Praxis steht manche Einrichtung vor einem Problem. Denn oftmals können die "Buftis" die Zivildienstleistenden nur unzureichend ersetzen. So berichtete der Bayerische Rundfunk vor einigen Tagen, dass es nicht genügend Freiwillige gebe und die neuen Aushilfskräfte viel kosteten.

So sagte die Geschäftsführerin des Arbeitersamariterbunds (ASB) Nürnberg, Martin Amon, dem Sender, dass die Geringfügig-Beschäftigten mit "nahezu den vierfachen Kosten" zu Buche schlagen. Entsprechend gebe es beim ASB nur noch einen Bundesfreiwilligen und einen, der ein Freiwilliges Soziales Jahr mache statt früher zwischen 20 und 30 Zivis.

Freiwilligendienst als Überbrückung?

Auch sei das Interesse am Bundesfreiwilligendienst stark zurückgegangen. Doch der Ansturm vom Start sei verflogen, so Amon. Ähnliches berichtet auch die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" aus Hessen. Am 1. März 2011 seien in dem Bundesland noch rund 3600 Zivis im Einsatz gewesen, jetzt seien es noch etwas mehr als 1500 Bundesfreiwillige — auch wenn die Zahlen aufgrund der unterschiedlichen Dauer nicht vergleichbar seien.

Regina Michel, Personalplanerin des sozialtherapeutischen Vereins "Drehpunkt" in Hofheim sagte der Zeitung, dass auch sie merke, dass das Interesse nachlasse. Zudem seien die Zivis motivierter gewesen, weil sie sich bewusst für diesen Dienst entschieden hätten. "Aber der Freiwilligendienst ist für viele nur eine Überbrückung und damit eine Notlösung", sagte sie.

Genau dieses Problem sieht auch die Linke, die die Politik von Familienministerin Schröder kritisiert. Der Bundesfreiwilligendienst entwickle sich vor allem in Ostdeutschland immer mehr zum "Auffangbecken für vorher wegrationalisierte ältere, weibliche Arbeitskräfte", zitiert etwa die "Berliner Morgenpost" die Partei. Juliane Meinhold vom Paritätischen Wohlfahrtsverband kann der Zeitung bestätigen, dass im Osten etwa 80 Prozent der Bewerber über 27 Jahre sind (im Westen ist es genau umgekehrt) und dass sich viele Erwerbslose darunter befänden. "Sie sehen das als Chance, sich fürs Gemeinwohl nützlich zu machen", sagt sie.

Neben all diesen Problemen gibt es aber durchaus auch Lob am nun seit zwei Jahren bestehenden Dienst. So sagt die Arbeiterwohlfahrt, dass er sich erfolgreich etabliert habe und eine enorme Bereitschaft zum Engagement von Menschen aller Altersgruppen zeige. Und auch die Abbrecherquote liege etwa im Rahmen wie beim Zivildienst. Anders sieht das allerdings bei der Bundeswehr aus.

Hohe Abbrecherquote bei der Bundeswehr

Denn dort liegt die Abbrecherquote weit höher, wie erst vor wenigen Tagen mehrere Medien berichteten. Verteidigungsminister Thomas de Maizière hatte der "Berliner Zeitung" bestätigt, "Berliner Zeitung", dass 27,7 Prozent der Freiwilligen von ihrem Recht Gebrauch gemacht hätten, in den ersten sechs Monaten des Engagements bei der Bundeswehr ohne Angaben von Gründen ihren Dienst zu quittieren.

Auch machen immer wieder Berichte die Runde über eine größere Belastung der Soldaten. Vonseiten der Truppe heißt es, dass der Personalabbau aufgrund der Bundeswehrreform zu schnell verlaufe. Zudem machten Berichte über Alkoholexzesse von Soldaten in Afghanistan zuletzt die Runde. Ob das alles für Freiwillige motivierend ist, sich der Truppe anzuschließen, mag eher fraglich sein.

Ulrich Karsch, der ein Karrierecenter der Bundeswehr in Berlin leitet, weiß, dass die Umstellung auch neue Herausforderungen für die Freiwilligenarmee bedeutet. Denn auch bei der Bundeswehr lässt das Interesse am Dienst offenbar nach, wie die "Welt" schreibt. "Dadurch, dass wir nicht mehr flächendeckend präsent sind, müssen wir die jungen Menschen erst einmal auf uns aufmerksam machen", sagt Karsch der Zeitung. Um manch einem Illusionen zu nehmen sagt er auch: "Wir müssen die jungen Leute so offen informieren, dass sie wissen, was auf sie zukommt, auch an Einschränkungen."

(das)
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