Enge Verbindungen Gelsenwasser und die SPD

(RP). Was die WestLB im Großen war, ist heute Gelsenwasser im Kleinen: Das Unternehmen versteht sich bestens mit der SPD. Firmenchef Manfred Scholle (SPD) gilt als Strippenzieher des Ruhrgebiets.

 Ministerpräsident Rüttgers: "In der Zeit der Krise ist Sparen der falsche Weg."

Ministerpräsident Rüttgers: "In der Zeit der Krise ist Sparen der falsche Weg."

Foto: ddp, ddp

Das Sinnbild des Landes für politischen Filz ist eine Skatrunde: Wenn die inzwischen verstorbenen SPD-Granden Neuber (Ex-WestLB-Chef), Rau (Ex-NRW-Ministerpräsident) und Schleußer (Ex-Finanzminister) sich bei Bier und 32 Karten versammelten, fädelten sie zwischen Grand und Null Ouvert die großen Deals der nordrhein-westfälischen Industriepolitik ein. So wurde in dieser Runde etwa die Übernahme der Horten AG durch die Metro oder der Umbau der Preussag zum Touristikkonzern TUI geboren.

Das Blatt hat sich gewendet. Nach 39 Jahren ununterbrochenen Regierens sitzt die NRW-SPD in der Opposition. Und die von Skandalen und Milliardenverlusten getriebene WestLB ist auch nicht mehr, was sie mal war. Aber die Vorliebe der NRW-Sozialdemokraten für ausgewählte Unternehmen — und umgekehrt — ist geblieben.

Eines davon ist der Gelsenkirchener Versorger Gelsenwasser. Jener Millionen-Konzern, der seit gestern Schlagzeilen macht, weil über einen seiner Scanner offenbar geheime CDU-Papiere eingelesen worden sind. Da eben diese Geheimdokumente an die Öffentlichkeit lanciert wurden, ermittelt jetzt der Staatsanwalt.

Die Gelsenwasser-Führung ist eine geschlossene Gesellschaft: Bis auf den Bochumer Rockwool-Manager Klaus Franz sind alle 13 Aufsichtsräte mehr oder minder prominente Akteure der sozialdemokratischen Landesszene. Viele von ihnen besitzen ein Parteibuch. Wie Gelsenwasser-Chef Manfred Scholle, Spitzname: "Roter Baron".

Der Gelsenwasser-Konzern selbst gehört den Städten Dortmund und Bochum, zwei der wenigen noch stabilen SPD-Hochburgen des Landes. Der Verkauf an die Kommunen wurde 2003 in weiten Teilen des Landes als "Verstaatlichung eines erfolgreichen Privatkonzerns" kritisiert. Aber die Befürchtungen der Kritiker haben sich nicht bewahrheitet. Die Gelsenwasser AG ist ein strotzgesunder Konzern, der unter der Führung Scholles seine Geschäftsfelder stetig erweitert und im zurückliegenden Geschäftsjahr unter dem Strich fast 100 Millionen Euro verdient hat.

Wer gerne Monopoly spielt, weiß, dass die "Wasserwerke" zwar immer langweilig, aber meistens lukrativ sind. Kein Wunder, dass Eon sich nur ungern von Gelsenwasser getrennt hat. Auf Druck von Ex-Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement — damals noch SPD-Mitglied.

Wäre es nach der politischen Landschaft im damals noch deutlich von der SPD dominierten Nordrhein-Westfalen gegangen, hätte der Eon-Wettbewerber RWE den Zuschlag bekommen. Dort saß die Politik damals auf ähnlich vielen und wichtigen Stühlen wie heute bei Gelsenwasser. Aber RWE-Chef Harry Roels winkte ab: Er hatte schon genug mit den wenig wirtschaftlich denkenden Politikern im eigenen Hause zu tun, da wollte er sich nicht auch noch einen ganzen kommunalpolitisch durchwirkten Konzern ins Haus holen.

Als der französische Wasserversorger Veolia das Rennen zu machen schien, blies die SPD zum Sturm und ließ das Ausland die Macht von geballter Lokal- und Landespolitik spüren. Ein Glaubenskrieg zwischen den Konfessionen "Privatisierung" und "Rekommunalisierung" zog über das Land. Am Ende durften die Städte Dortmund und Bochum Gelsenwasser kaufen, auch weil sie behaupteten, das Unternehmen nur vorübergehend halten zu wollen. Die spektakuläre Investition — 835 Millionen Euro — finanzierten die beiden SPD-Kommunen über Kredite der WestLB.

Vielleicht nur ein Zufall. Kein Zufall aber war, dass sie ausgerechnet das SPD-Urgestein Manfred Scholle auf den Chefposten hievten. Über den 64-jährigen Familienmenschen (verheiratet mit der Präsidenten des Landesrechnungshofes NRW, zwei Töchter, fünf Enkel) heißt es, er beherrsche wie kein zweiter im Land die kommunalpolitische Klaviatur.

Gelernt hat er dieses Handwerk von der Pike auf: Der promovierte Jurist begann seine Karriere in der Staatskanzlei des ehemaligen Berliner Skandal-Bürgermeisters Dietrich Stobbe (SPD), der im Zusammenhang mit einer Affäre um Staatsbürgschaften zurücktreten musste.

Als Chef des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe hielt er sich länger als die meisten anderen — der kommunale Zusammenschluss gilt wegen der oft unvereinbaren Positionen seiner Mitglieder als eine der gefährlichsten Schlagengruben des Landes.

Aber auch als exzellente Kontaktbörse: Von hier wechselte Scholle zur RWE, wo er 2000 Chef der mächtigsten Tochter RWE Gas wurde. Dort wollte er seine glänzenden Verbindungen zu den Kommunen nutzen, um die Pläne von RWE-Chef Roels zu durchkreuzen: Er stellte sich an die Seite der kommunalen Minderheitsaktionäre von RWE Gas, die sich vehement gegen eine Integration in den RWE-Konzern wehrten. Roels setzte ihn vor die Tür. Was Scholle — dank seiner Freunde — nicht geschadet hat.

(RP)
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