Die Haushaltslage der Länder Geheimakte "Schulden"

Düsseldorf (RP). In einem vertraulichen Gutachten hat das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung für den Bundesfinanzminister die Schuldenpolitik der Länder analysiert. Die Ergebnisse sind alarmierend.

Die Schuldenpolitik der Länder
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Foto: ddp

Wer den Schlüssel zur Schatztruhe hat, bestimmt die Politik. Aber die Haushalte der Staaten, Länder und Kommunen sind so kompliziert geworden, dass sich ausgerechnet das wichtigste Machtinstrument der Politik inzwischen weitgehend der öffentlichen Debatte entzieht.

Mit gefährlichen Folgen: Spart die Politik an Straßen, Schulen oder der Polizei, gibt es massiven Widerstand. Will sie stattdessen den "strukturellen Finanzierungssaldo" so drastisch erhöhen, wie es die neue NRW-Regierung plant, hält sich die Aufregung in Grenzen. Denn dass sich dahinter gefährliche Luxus-Schulden verbergen, ist kaum bekannt.

NRW Spitzenreiter

Aber der Bundesfinanzminister passt auf. Ihm ist die Schuldenpolitik der Bundesländer nicht mehr geheuer. Er hat das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) beauftragt, die Schulden der Länder zu analysieren. Hinter verschlossenen Türen stellten die Forscher aus Essen am Mittwoch in Berlin ihre Ergebnisse vor. Das geheime Gutachten, das unserer Zeitung vorliegt, kommt zu erschreckenden Ergebnissen. Stefan Homburg, Professor für öffentliche Finanzen in Hannover, spricht von "teilweise staatsgefährdenden Dimensionen".

Um dem Bundesfinanzminister ein Kriterium zur Beurteilung der Länder-Schulden zu geben, unterscheidet das RWI zwischen "konjunkturellen" und "strukturellen" Schulden. Konjunkturelle Schulden sind unbedenklich und notwendig, um in schwachen Zeiten Steuerausfälle und steigende Ausgaben für Arbeitslose auszugleichen. Strukturelle Schulden hingegen häufen nur Länder an, die über ihre Verhältnisse leben. "Das sind nicht notwendige Luxus-Schulden, um zum Beispiel teure Wahlversprechen zu finanzieren", erklärt Homburg.

Das RWI hat herausgefunden: Spitzenreiter bei den umstrittenen Luxusschulden wird in diesem Jahr NRW. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) kündigt an, 2010 neun Milliarden Euro neue Schulden aufzunehmen. Laut RWI-Gutachten sind nur 1,2 Milliarden davon konjunkturell bedingt. Der Rest geht also auf das Konto der spendablen NRW-Politik.

Sachsen als Ausnahme

Dabei befindet Kraft sich in guter Gesellschaft: Außer dem Bundesland Sachsen will im laufenden Jahr kein einziges Bundesland ohne neue Luxus-Schulden auskommen. Setzt man die angekündigten Neuverschuldungen in Relation zur Größe der Bundesländer, liegt NRW sogar nur im Mittelfeld.

Der schlimmste Luxus-Schulden-Sünder ist laut RWI Bremen, das — vereinfacht ausgedrückt — über 20 Prozent seines Haushaltes mit nicht konjunkturell bedingten Schulden finanzieren will. Es folgen das Saarland (17 Prozent), Schleswig Holstein (16 Prozent), Hamburg (15 Prozent), Rheinland-Pflalz (15 Prozent) und Hessen (13 Prozent).

In NRW lag die Quote auch ohne Krafts Pläne zur Erhöhung der Neuverschuldung schon bei knapp elf Prozent. Eine vergleichsweise gewissenhafte Schuldenpolitik betreiben — auch dank üppiger Hilfen des Bundes — die Länder Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg.

Die Luxus-Schulden werden für die Länder zum Doppel-Problem. Erstens müssen sie nach der trennscharfen Unterscheidung des RWI in "gute" und "böse" Schulden besser als bisher erklären, warum sie künftigen Generationen solche Erblasten zumuten. Zweitens sind nicht konjunkturbedingte Schulden ab 2020 laut Grundgesetz verboten.

Deshalb sieht Homburg die Schuldenpläne von Kraft auch "am Rande der Legalität": Die Neuverschuldung ausgehend von einem so hohen Niveau in nur zehn Jahren auf null zurückzuführen, sei in NRW nämlich nun "fast nicht mehr möglich".

(RP)
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