Protest-Schwerpunkt ist der Osten Deutschlands Gegen Hartz IV: Etliche Aufrufe zu Montagsdemo

Frankfurt/Main (rpo). In fast 30 Städten haben Gegner der Arbeitsmarktreform Hartz IV heute zu "Montagsdemonstrationen" aufgerufen. Tausende Teilnehmer werden erwartet. Schwerpunkt der Protestveranstaltungen ist der Osten Deutschland.

In mindestens 26 Städten waren Proteste gegen die Absenkung der Arbeitslosenhilfe auf Sozialhilfeniveau geplant. Attac-Sprecher Malte Kreutzfeldt sagte der AP, er erwarte mehrere tausend Teilnehmer. Schwerpunkt sind ostdeutsche Städte wie Leipzig, Magdeburg, Halle, Rostock und Dresden.

Aber auch in Köln, Hamburg, Essen, Dortmund und Braunschweig gab es Demonstrationsaufrufe. Attac kritisierte, mit der Sozialreform würden Hunderttausende in die Armut getrieben: "Hartz IV entwürdigt, enteignet, schafft Unsicherheit und ist eine Rutsche in die Armut".

Politiker und frühere DDR-Bürgerrechtler stritten derweil darüber, ob die neuen Massenproteste gegen die Sozialreform Hartz IV mit denen zur Wendezeit vor 15 Jahren vergleichbar sind. Die CDU-Bundestagsabgeordnete und frühere DDR-Oppositionelle Vera Lengsfeld verteidigte das Reformpaket, das die Union zusammen mit der rot-grünen Regierungskoalition auf den Weg gebracht hatte: "Die Regierung Schröder ist bei aller Kritik nicht mit der Regierung Honecker zu vergleichen."

"Montagsdemonstration" ist törischer Titel

Der frühere Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Joachim Gauck, nannte es "töricht und geschichtsvergessen, wenn der Protest gegen Sozialreformen unter dem Titel Montagsdemonstration stattfindet". Gauck sagte der "Berliner Zeitung", bei den Demonstrationen 1989 sei es um fundamentalen Widerstand gegen das DDR-Regime gegangen, jetzt gehe es um Opposition in einem demokratischen System.

Auch die Bundesregierung kritisierte die Verwendung des Begriffs Montagsdemonstration. Die Proteste von 1989 in der DDR seien Ausdruck eines mutigen Willens zur Veränderung gewesen, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Hans Langguth. Bei den Protesten gegen die Hartz-IV-Reform solle sich jeder Teilnehmer den qualitativen Unterschied vor Augen führen.

In der vergangenen Woche hatte Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) von einer Beleidigung der Zivilcourage gesprochen, die viele Ostdeutsche 1989 gezeigt hätten. Dazu erklärte der ehemalige DDR-Bürgerrechtler Fred Schirrmacher: "Meint er allen Ernstes, er könnte die über seine Gesetze aufgebrachten Menschen damit einschüchtern? Er wird sich noch wundern." Schirrmacher kündigte für den 16. August eine große Demonstration in Berlin an, am (heutigen) Montag war eine vorbereitende "Montagsaktion" geplant. Nach Angaben seines Berliner Bündnisses "Montagsdemo gegen Agenda 2010" wird mittlerweile in mindestens 36 Städten zu Demos gegen Hartz IV aufgerufen.

Sympathie für diffuse Angst

Auch der evangelische Bischof von Magdeburg, Axel Noack, nahm die Montagsdemonstrationen in Schutz. Er selbst hätte den Vergleich zwar nicht gezogen, sagte er im Südwestrundfunk. Die überwiegend diffuse Angst, die sich in den Demonstrationen ausdrücke, verdiene aber durchaus Sympathie.

PDS-Parteichef Lothar Bisky sagte, Ausweglosigkeit treibe die Menschen auf die Straße. Es gebe Parallelen zur Wendezeit, denn Freiheit und Gerechtigkeit seien zwei Seiten ein und derselben Medaille menschenwürdigen Lebens.

Unterdessen zeigte sich der stellvertretende CDU-Parteichef Jürgen Rüttgers besorgt darüber, dass die neuen Montagsdemos nicht nur von rechtsextremistischen Parteien wie NPD oder DVU, sondern auch seitens der PDS instrumentalisiert werden könnten. Ähnlich äußerte sich auch der Pfarrer der Leipziger Nikolaikirche, Christian Führer, der die Montagsproteste grundsätzlich gutheißt. Er finde es aber "nicht in Ordnung, dass Gruppen, Parteien oder Vereine auf der Woge der Unruhe der Bevölkerung ihr Süppchen kochen oder Wahlkampf machen".

(ap)
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