NRW Gefährliche Täter bleiben in Haft

Düsseldorf (RP). Die Oberlandesgerichte in Köln und Hamm sperren sich dagegen, sicherungsverwahrte Straftäter in Freiheit zu entlassen. Die NRW-Richter wollen zunächst eine gesetzliche Regelung auf Bundesebene abwarten.

Der Mann ist in 21 Fällen wegen Körperverletzung gegen Frauen verurteilt worden. Seine Ehefrau hatte er mit einem Fleischermesser lebensgefährlich verletzt. Der heute 66-Jährige ist in einer Sicherungsverwahrung der JVA Aachen unterbracht. Geht es nach dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, muss der Gewalttäter jetzt freigelassen werden. Die Sicherungsverwahrung war nachträglich angeordnet worden. Doch das Oberlandesgericht (OLG) in Köln lehnte die Entlassung ab. Das Ergebnis des Gesetzgebungsverfahrens auf Bundesebene "bleibe zunächst abzuwarten", entschieden die Richter.

Wie unsere Redaktion erfuhr, will auch das OLG Hamm bis auf weiteres keine Sicherungsverwahrten, die sich auf das Straßburger Grundsatzurteil berufen, freilassen. Der Europäische Gerichtshof hatte festgestellt, dass eine nachträgliche unbefristete Verlängerung der Sicherungsverwahrung gegen die Menschenrechte verstoße. In NRW könnten bis zum Ende des Jahres 21 Straftäter freikommen. Doch daraus wird wohl vorerst nichts. "Ich habe großen Respekt vor den unabhängigen Richtern", sagte Peter Biesenbach, Justizexperte der CDU-Landtagsfraktion, unserer Redaktion. "Die Entscheidung aus Straßburg bindet die Gerichte nicht. Die Richter müssen den Einzelfall beurteilen."

Nach einem Sexualverbrechen an einem neunjährigen Jungen in Mecklenburg-Vorpommern hatte die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) ihre Bundeskollegin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) aufgefordert, in Sachen Sicherungsverwahrung endlich zu handeln. Leutheusser-Schnarrenberger müsse sich "einen Ruck geben und ein Gesetz erlassen, das einen europafesten Ersatz für die Sicherungsverwahrung regelt", sagte Merk dem Magazin "Focus". Eine elektronische Fußfessel reiche nicht. "Hoffen und Harren hilft bei diesen hochgefährlichen Tätern nicht", betonte die CSU-Politikerin. "Wir müssen handeln und dafür sorgen, dass wir sie weiter festhalten können."

Das OLG Köln erklärte in einer Erklärung zum Fall des 66-jährigen Messerstechers, die Gerichte "seien nicht befugt, durch einfache Gesetzesauslegung schon jetzt im Vorgriff auf ein Gesetzgebungsverfahren Fakten zu schaffen". Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger hatte hingegen erklärt, sie sehe keine Möglichkeit, das Straßburger Urteil zu umgehen. "Die deutschen Gerichte müssen es beachten und umsetzen", so die FDP-Politikern.

CDU-Justizexperte Peter Biesenbach forderte die Bundesregierung auf, eine verfassungskonforme Lösung zu finden, die den Schutz der Bevölkerung garantiere. Möglicherweise könne eine sichere Unterbringung der rückfallgefährdeten Straftäter außerhalb der Gefängnismauern eine Lösung sein. NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) forderte die Berliner Regierungskoalition auf, den Streit um Sicherungsverwahrung "schleunigst beizulegen".

Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" prüft das Justizministerium, ob und unter welchen Bedingungen rückfallgefährdete Gewalt- und Sexualstraftäter nach Verbüßung ihrer Haft mithilfe eines Gesetzes in neu zu schaffenden Einrichtungen untergebracht und auch therapeutisch auf ein Leben ohne Gitter vorbereitet werden können. Ein solches "Freiheitsvorbereitungsgesetz" sei aber schwierig. Es dürfe keinesfalls der Eindruck entstehen, es gehe um eine Fortsetzung der Haft unter anderem Namen, verlautete aus dem Justizressort.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat einem "Spiegel"-Bericht zufolge die Freilassung eines als gefährlich eingestuften Sexualstraftäters aus der Sicherungsverwahrung angeordnet. Der 67-Jährige sei trotz seines gerichtlich festgestellten "Hanges zur Begehung erheblicher Sexualstraftaten" freizulassen, heißt es in dem Beschluss. Da es an "konkreten Hinweisen" auf künftige Straftaten fehle, würden das Freiheitsrecht und der Vertrauensschutz des Sicherungsverwahrten überwiegen.

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