Gasversorgung in Deutschland Berlin stützt Gazprom Germania mit Milliarden – Gazprom reduziert Lieferung

Berlin · Die Bundesregierung rettet ein Schlüsselunternehmen für die Gasversorgung vor einer Insolvenz. Dafür nimmt der Staat viel Geld in die Hand. Gleichzeitig reduziert Gazprom die Lieferungen nach Deutschland um 40 Prozent. Ursache seien technische Probleme.

 Blick auf Rohrsysteme und Absperrvorrichtungen in der Gasempfangsstation der Ostseepipeline Nord Stream 1 in Lubmin, Mecklenburg-Vorpommern.

Blick auf Rohrsysteme und Absperrvorrichtungen in der Gasempfangsstation der Ostseepipeline Nord Stream 1 in Lubmin, Mecklenburg-Vorpommern.

Foto: dpa/Stefan Sauer

Grund für den verringerten Gas-Durchfluss seien Verzögerungen bei der Reparatur von Gas-Kompressoren durch Siemens. Der deutsche Konzern habe Kompressoren verspätet von der Reparatur zurückgeschickt, teilte Gazprom mit. Damit muss sich Deutschland in diesem Sommer voraussichtlich auf spürbare Lücken in der Gasversorgung einstellen.

Allerdings hatte die deutsche Seite am Dienstagnachmittag noch keinen verringerten Durchfluss durch Nord Stream 1 feststellen können. Aktuell sei die Versorgungssicherheit weiter gewährleistet, erklärte eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums. „Wir beobachten die Lage und prüfen den Sachverhalt“, sagte sie. Vermutet wurde in der Regierung, dass Russland den verringerten Durchfluss möglicherweise durch Lieferungen über andere Wege kompensiert hat. Moskau ist auf die deutschen Zahlungen für das Gas angewiesen. Die Ukraine fordert seit Langem, Deutschland solle kein Gas aus Russland mehr beziehen, um Kreml-Chef Wladimir Putin nicht mehr weiter die Kriegskasse zu füllen. Möglich sind in der Kriegssituation allerdings immer auch irreführende Meldungen Russlands.

Die Siemens-Tochter Siemens Energy erklärte, sie habe 2009 Gasturbinen für eine Verdichterstation von Nord Stream 1 in Russland geliefert. Um den Betrieb der Pipeline aufrechtzuerhalten, sei es notwendig, dass diese Turbinen regelmäßig überholt werden. Aus technischen Gründen könne dies nur in Montreal in Kanada gemacht werden. Aufgrund der von Kanada verhängten Sanktionen sei es für Siemens Energy derzeit nicht möglich, überholte Gasturbinen an den Kunden zu liefern. „Vor diesem Hintergrund hatten wir die kanadische und deutsche Regierung informiert und arbeiten an einer tragfähigen Lösung“, sagte eine Firmensprecherin. Die Frage, ob und wann Putin die enorm wichtigen Gaslieferungen nach Deutschland einschränken oder sogar stoppen würde, treiben Politik und Wirtschaft in Deutschland schon seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs am 24. Februar um. Die Bundesrepublik ist derzeit noch zu etwa 40 Prozent von russischen Gaslieferungen abhängig. Die Bundesregierung konnte die hohe Abhängigkeit durch intensive Bemühungen in den vergangenen Wochen bereits um etwa zehn Prozent reduzieren.

Der Gas-Transport von Russland nach Westeuropa ist ohnehin bereits eingeschränkt. Über die Jamal-Pipeline wird aufgrund der russischen Sanktionen gegen den Eigentümer des polnischen Abschnitts, EuRoPol Gaz, kein Gas mehr geliefert. Zudem hatte im Mai die Ukraine den Gas-Durchfluss an einer von zwei Übergabestationen gestoppt. Davon ist ein Drittel des russischen Gases betroffen, das durch die Ukraine nach Westeuropa fließt.

Die Bundesregierung kündigte am Dienstag zudem weitere Maßnahmen an, um die Versorgungssicherheit mit Gas zu erhöhen. „Um die Versorgungssicherheit in Deutschland zu gewährleisten, wird die Bundesregierung die Treuhandverwaltung der Gazprom Germania längerfristig absichern und das durch Sanktionen von russischer Seite ins Straucheln geratene Unternehmen über ein Darlehen vor der Insolvenz bewahren“, hieß es in einer Mitteilung. „Mit diesem Vorgehen behält die Bundesregierung den Einfluss auf diesen Teil der kritischen Energieinfrastruktur und verhindert eine Gefährdung der Energiesicherheit.“ Dem Vernehmen nach wird Gazprom Germania mit Darlehen der Staatsbank KfW in Höhe von neun bis zehn Milliarden Euro gestützt, um das Risiko einer Insolvenz abzuwenden. Das bereits unter treuhänderischer staatlicher Verwaltung stehende ehemalige Tochterunternehmen des russischen Gazprom-Konzerns soll in „Securing Energy for Europe GmbH“ umbenannt werden.

(mit rtr/dpa)
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