Besuch in den Niederlanden Gauck gedenkt der Befreiung vom Nazi-Joch

Breda · Bundespräsident Joachim Gauck hat am Samstag als erster Deutscher in den Niederlanden zum "Tag der Befreiung" gesprochen. Er erinnerte bei einer Gedenkfeier in der Stadt Breda an mehr als 100.000 niederländische Juden, die der Ausrottungspolitik Hitlerdeutschlands zum Opfer fielen.

 Bundespräsident Joachim Gauck wird am Flughafen von Rotterdam von Kronprinz Willem-Alexander begrüßt.

Bundespräsident Joachim Gauck wird am Flughafen von Rotterdam von Kronprinz Willem-Alexander begrüßt.

Foto: dpa, Wolfgang Kumm

"Gerade weil wir Deutsche uns der Last und der Schuld der Geschichte gestellt haben, gilt für uns, gilt auch für mich: Wir feiern gemeinsam mit allen die Befreiung vom nationalsozialistischen Joch", sagte Gauck.

Gauck verwies darauf, dass er im Jahr 1940 geboren wurde, "dem Jahr, in dem die Niederlande Opfer der deutschen Großmachtpolitik und des deutschen Rassenwahns wurden". Es sei für einen Deutschen wie ihn daher nicht selbstverständlich, dass er diese Ansprache halten dürfe. Das ihm und Deutschland entgegengebrachte Vertrauen sei "ein Geschenk, das wir nicht vergessen werden", versprach der Bundespräsident

In seiner Rede ging Gauck auch auf aktuelle Fragen ein. Während Völker in anderen Teilen der Welt die Freiheit entdeckten, könnten viele Menschen in Europa deren Segen "nur noch begrenzt erfassen", kritisierte das Staatsoberhaupt. "Sie missverstehen Freiheit als Libertinage, als das Versprechen auf ein hedonistisches Lebensmodell, als politische oder ethische Beliebigkeit oder als Aufforderung zum Verzicht auf Mitgestaltung." Dabei fehle, "was besonders viele junge Menschen auf die Straßen und zum Protest treibt - Verantwortlichkeit, Verlässlichkeit, auch Gemeinsinn und Solidarität", warnte Gauck

Der Bundespräsident sprach auch als erstes ausländisches Staatsoberhaupt bei den Feiern zum Jahrestag der Befreiung von der deutschen Besatzung 1945. Die Rede stand unter dem Titel "Befreiung feiern - Verantwortung leben". Gauck gedachte auch der Widerstandskämpfer im Nachbarland und Hunderttausender Niederländer, die zum Arbeitseinsatz nach Deutschland deportiert wurden.

Die Niederlande feiern seit 1995 den "Tag der Befreiung" am 5. Mai. Die Einladung zum Festakt in Breda war ursprünglich an Gaucks Vorgänger Christian Wulff gegangen. Bereits am Tag der Wahl Gaucks am 18. März wurde sie für ihn persönlich erneuert, heißt es aus dem Bundespräsidialamt.

Gauck würdigte in seiner Rede den Kampf für Freiheit und Rechtsstaatlichkeit in Nordafrika und im Nahen Osten. An die Adresse der westlichen Länder gerichtet warnte er aber auch vor einer egoistischen Interpretation des Freiheitsbegriffs. Freiheit dürfe nicht als politische oder ethische Beliebigkeit missverstanden werden. "Bei diesem Freiheitsverständnis fehlt, was besonders viele junge Menschen auf die Straße treibt - Verantwortlichkeit, Verlässlichkeit, auch Gemeinsinn und Solidarität."

Vor dem Besuch gab es auch Kritik an der Einladung für Gauck zum "Befreiungstag". Dabei geht es unter anderem um die Forderung nach Auslieferung des früheren Waffen-SS-Mannes und mutmaßlichen Kriegsverbrechers Klaas Carel Faber. Er wurde in den Niederlanden zunächst zum Tode und dann zu lebenslanger Haft verurteilt. Die deutsche Justiz verweigert aber die Auslieferung des inzwischen 90-Jährigen.

Gauck wird bei den Feierlichkeiten von Kronprinz Willem-Alexander begleitet. Am Nachmittag trifft er auch mit Ministerpräsident Mark Rutte zusammen, der zum Gedenktag ein "Freiheitsfeuer" entzünden wird. Am Abend werden Gauck und seine Lebensgefährtin Daniela Schadt in Amsterdam von Königin Beatrix empfangen. Am Ufer der Amstel besuchen die beiden Staatsoberhäupter ein Konzert zum Tag der Befreiung. Zum Abschluss des Tages steht eine gemeinsame Bootsfahrt auf dem Programm.

Nach bisher relativ unspektakulären Antrittsbesuchen in Polen sowie in Brüssel und Straßburg galt die Rede Gaucks in Breda schon im Vorfeld als wichtiges Zeichen - für die traditionell guten Beziehungen zu den Niederlanden ebenso wie für Gaucks außenpolitisches Programm.

(dpa)
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