Unterschicht Ganz unten

Düsseldorf (rpo). Cäsars Werk über den Gallischen Krieg beginnt mit der berühmten Feststellung, dass ganz Gallien in drei Teile geteilt sei. Das war geographisch gemeint. Schriebe jemand über Deutschland zu Beginn des dritten Jahrtausends, käme er zu dem Schluss: eine Nation, jedoch soziologisch dreigeteilt in Ober-, Mittel- und Unterschicht.

"Unterschichten"- 
Debatte: Zitate
Infos

"Unterschichten"- Debatte: Zitate

Infos
Foto: AP

Von Letzterer ist mittlerweile verstärkt die Rede, als gebe es eine Mode der neuen Abgrenzung gegenüber Mitbürgerinnen und Mitbürgern, innerlich bereits ausgebürgert, weil sie arm an Geldmitteln, an Bildung, an Kultur und an dem sind, was man bürgerlichen Geschmack im Habitus nennt.

Doch Vorsicht vor Hochmut. Er kommt bekanntlich vor dem Fall. Nicht wenige Angehörige der Mittelschicht mit Schulabschluss und Arbeitsvertrag, die sich noch vor wenigen Jahren nicht vorstellen mochten, einmal ins untere Drittel zu rutschen, sorgen sich, dass dem Traum vom Aufstieg das Erwachen in der Hartz-IV-Realität folgen könnte.

Das allein hieße nicht, künftig der Unterschicht zugerechnet zu werden. So kann der bildungsabstinente Kloschüssel-Fabrikant mit schwarzem Geld und goldener Kreditkarte ein kultureller Proll, der Radtourist mit Büchern im Rucksack, Flausen im Kopf und wenig Geld auf dem Konto von Bildung und Lebensstil her der eigentliche Mittelschichtler sein.

Der Historiker Paul Nolte behauptet, dass die Unterschicht einen eigenen Lebensstil geprägt habe, der mit Geld nichts zu tun habe. Kennzeichnend für diesen Stil seien kulturelle Begrenztheit und die Unfähigkeit, Verantwortung zu übernehmen. Verantwortung für sich und für den eigenen Nachwuchs. Kinder aus der Unterschicht sind häufig träger und dicker als ihre Altersgenossen.

Wo das Elternhaus geistig-kulturell verschmutzt ist, wo sich Vater und Mutter apathisch auf dem Sofa lümmeln, Tüten und Dosen öffnen, vielleicht auch "Schnauze" brüllen oder handgreiflich werden, wenn ihr Kind mit einer Lebensäußerung "stört" - da werden Eigenverantwortung klein geschrieben und Aufstiegswillen erstickt.

Es mag mancherorts der Aufsteiger-Willen verkümmert sein. Nicht selten fehlt es aber auch an der Möglichkeit, von einer Schicht in die nächst höhere zu gelangen. Nach unten geht es heute schneller, oft ohne eigene Schuld - siehe junge Beispiele hinters Licht geführter Arbeitnehmer der Handy-Sparte. Wie ein Begriff aus ferner deutscher Zeit klingt Ludwig Erhards "Wohlstand für alle" oder Willy Brandts "Mehr Demokratie wagen", was auch "mehr Wohlstands-Teilhabe" heißen sollte.

Manchmal kehrt zurück, was man in der Gruft glaubte: die Klassengesellschaft zum Beispiel.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort