Kommentar zum Tempolimit-Vorstoß Gabriels Worte und Steinbrücks Leiden

Berlin · Mal wieder prescht SPD-Chef Sigmar Gabriel mit einer unabgestimmten Position vor. Die Forderung nach einem generellen Tempolit auf Autobahnen verärgert nicht nur die Autolobby, sondern auch den eigenen Kanzlerkandidaten. Gabriel zeigt mal wieder, wie Debatten angestoßen werden.

SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück auf NRW-Tour
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Peer Steinbrück soll mächtig angefressen gewesen sein, als er bei einem Termin in Düsseldorf am Mittwochfrüh von der neuesten Positionierung seines Vorsitzenden Kenntnis bekam. SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte im Interview mit unserer Redaktion ein generelles Tempolimit auf Autobahnen von 120 km/h gefordert.

Das steht zwar nicht im Wahlprogramm, war auch nicht abgesprochen. Aber einen Instinktpolitiker wie Sigmar Gabriel stört das wenig. Steinbrück, der offenbar Angst vor den Millionen Autofahrern in Deutschland hat, die gerne mal Gas geben, distanzierte sich nur wenige Stunden später. Auch die Fachpolitiker der Fraktion schüttelten mit dem Kopf. Als Wahlkampfschlager eigne sich das Thema nun wirklich nicht, stöhnten sie.

Die Debatte hatte Gabriel aber längst angestoßen. Alle großen Online-Medien berichteten, riefen ihre Leser zu Votings zu der Frage Tempolimit auf und auch beim Internet-Nachrichtendienst Twitter war das Stichwort "Tempolimit" schnell ein Renner. Schwarz-gelbe Politiker nutzten die Vorlage, sprachen wie CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe von der "Bundes-Verbots-Republik Deutschland", in die Gabriel das Land steuern wolle. Natürlich war auch der ADAC rasch mit einer Stellungnahme auf dem Markt.

Doch der Angegriffene sieht keinen Bedarf, sich zu korrigieren. Zwei Dinge dürfte Sigmar Gabriel mit seiner Offensive im Hinterkopf gehabt haben. Erstens zeigt der ungeduldige Parteichef seinem Kanzlerkandidaten mal wieder, wie man öffentliche Debatten anzettelt und als Sozialdemokrat Profil entwickelt. Zweitens konnte Gabriel ein partnerschaftliches Signal an die Grünen senden, die die entsprechende Forderung in ihrem Wahlprogramm längst etabliert haben. Im Übrigen gibt es nicht wenige Wähler im rot-grünen Milieu, die ein Tempolimit auf Deutschlands Autobahnen für angemessen halten. Gabriel mag also vor allem an die eigene Truppe gedacht haben.

Doch was im Gedächtnis bleibt, sind vor allem die institutionalisierten Abstimmungspannen in der SPD-Spitze. Mal wird Gabriel von unglücklichen Äußerungen des Kanzlerkandidaten Steinbrück zum Kanzlergehalt überrascht, mal überrascht Gabriel selbst die Genossen wie vor einem Jahr mit seinem Fünf-Punkte-Plan zur Bändigung der Banken. Eine stringente Kommunikationspolitik gehört in der SPD offenbar nicht zum Wahlkampfprogramm.

(brö)
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