Diskussion um Atomlaufzeiten Gabriel wirft Merkel Verfassungsbruch vor

Leipzig (RPO). SPD-Chef Sigmar Gabriel hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den Versuch "eines glatten Verfassungsbruchs" bei den Verhandlungen über eine Laufzeitverlängerung der deutschen Atomkraftwerke vorgehalten. Unterdessen geht der Streit um eine zweite Abgabe für die Stromkonzerne weiter.

Was Sie im Streit über Atomstrom wissen sollten
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Foto: ddp

Der "Leipziger Volkszeitung" sagte Gabriel, Merkel wolle den ressortmäßig für die Sicherheit der Atomkraftwerke zuständigen Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU)von den eigentlichen Laufzeitverhandlungen ausschließen. Dazu sei auch "die Richtlinien-Kanzlerin nicht befugt", sagte Gabriel. Jetzt beabsichtige die Kanzlerin "einen schmutzigen Deal mit der Atomwirtschaft: Sie will die Sicherheit deutscher Kernkraftwerke gegen ein bisschen Haushalts-Geld verkaufen".

Dass sich Röttgen das bis jetzt gefallen lasse, "kann ich mir nur damit erklären, dass er sich mehr um den Fortgang seiner parteipolitischen Karriere in Nordrhein-Westfalen kümmert als um die Sicherheit deutscher Atomkraftwerke", meinte Gabriel. Der SPD-Chef forderte die Kanzlerin dazu auf, die Verhandlungen mit der Atomstromwirtschaft sofort abzubrechen.

Es dürfe auch keinen Preis in Form einer Brennelementesteuer als Gegenleistung für eine Laufzeitverlängerung geben. Der Bundesumweltminister müsse wieder das entscheidende Wort bei allen Verhandlungen über den Sicherheitsstandard laufender Atomkraftwerke erhalten. Und schließlich sollte Merkel nicht mit den deutschen Strom-Oligarchen über längere AKW-Laufzeiten verhandeln, sondern einen Generationenvertrag zur dauerhaften Energieversorgung entwerfen.

Brüderle gegen zweite Abgabe

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) will die Atomkonzerne nicht über die geplante Brennelemente-Steuer hinaus mit einer Abgabe für Investitionen in erneuerbare Energieträger belasten. Es sei zwar richtig, dass die Zukunft den erneuerbaren Energien gehöre, sagte Brüderle der "Bild"-Zeitung. Auch sei er immer der Ansicht gewesen, dass dafür "mindestens die Hälfte" der Zusatzgewinne aus einer Laufzeitverlängerung für Atommeiler abgeschöpft werden sollten. "Allerdings sollten wir den zweiten Schritt nicht vor dem ersten machen."

Die Strompreise müssten auch künftig bezahlbar bleiben, sagte Brüderle. Deutschland werde deshalb auch "die Kernenergie als Brückentechnologie noch einige Zeit brauchen". Auch mit Blick auf die Arbeitsplätze warnte der FDP-Politiker vor einer übermäßigen Belastung der Energieunternehmen: "Für sichere und neue Arbeitsplätze in Deutschland brauchen wir auch eine moderne und bezahlbare Energieversorgung. Wenn der Strom zu teuer ist, gehen Betriebe ins Ausland. Und das würde unseren Wohlstand gefährden."

Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) bekräftigte dagegen seine Forderung nach einer zweiten Zahlung der Atomkraftwerksbetreiber neben der Brennelementesteuer. "Wenn es zu Laufzeitverlängerung kommt, kommt es zu enormen Zusatzgewinnen für die Kernkraftwerksbetreiber. Von diesen Zusatzgewinnen möchten wir einen beachtlichen Teil, einen substanziellen Teil haben, um ihn für den Ausbau, die Erforschung der erneuerbaren Energien zu verwenden", sagte Röttgen am Mittwoch in der ARD. Über die geplante Brennelementesteuer werde er mit der Atomindustrie, die einen Vertrag statt der Steuer fordert, nicht verhandeln, sagte Röttgen.

FDP-Appell

FDP-Fraktionsvize Patrick Döring appellierte an Merkel, bei ihrem Gespräch mit Vertretern der Energiekonzerne hart zu bleiben und an den Koalitionsabsprachen "nicht zu rütteln". In der "Neuen Osnabrücker Zeitung" erklärte Döring, es sei fest vereinbart, Zusatzgewinne der Unternehmen bei längeren Laufzeiten von Atomkraftwerken zu wenigstens 50 Prozent abzuschöpfen. Ein Verzicht würde nur bedeuten, die Kosten für die notwendige Förderung der erneuerbaren Energien am Ende auf die Bürger und die kleinen und mittelständischen Unternehmen zu verlagern. "Das ist nicht gewollt", betonte der FDP-Politiker.

Allerdings sei es "unredlich", jetzt schon auf Euro und Cent eine exakte Festlegung zu verlangen. Das sei erst klar, wenn feststehe, wie viele Kraftwerke wie lange am Netz blieben und wie hoch die Zusatzgewinne der Konzerne seien, betonte Döring und warnte vor "Kaffeesatzleserei".

Die Bundesregierung will Ende September ihr Energiekonzept vorlegen, das unter anderem auch die Frage der Laufzeitverlängerungen regeln soll. Unklar ist noch, wie die Energiebranche an den Kosten der Atomkraft beteiligt werden soll. Neben einer Brennelementesteuer für die Betreiber von Atomkraftwerken ist ein weiterer Beitrag als Gegenleistung für die Laufzeitverlängerung im Gespräch.

Der Koalitionsvertrag von Union und FDP sieht vor, dass die Konzerne Zusatzgewinne aus der Verlängerung von Akw-Laufzeiten teilweise zugunsten erneuerbarer Energien abführen sollen. Für die Brennelementesteuer sind 2,3 Milliarden Euro veranschlagt.

(DDP/AFP/das)
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