SPD-Chef warnt vor Staatskrise Gabriel will Wulff im Amt halten

Berlin · Sigmar Gabriel hat sich dafür ausgesprochen, den wegen eines umstrittenen Privatkredits unter Druck geratenen Bundespräsidenten Christian Wulff im Amt zu halten. Als Konsequenz aus der Kreditaffäre fordert der SPD-Vorsitzende zudem neue Anstrengungen, um das Vertrauen der Bürger in die Politik zu stärken.

 Sigmar Gabriel hat sich gegen einen Rücktritt von Bundespräsident Christian Wulff ausgesprochen.

Sigmar Gabriel hat sich gegen einen Rücktritt von Bundespräsident Christian Wulff ausgesprochen.

Foto: afp, JOHN MACDOUGALL

"Die Affäre Wulff berührt nicht nur die Glaubwürdigkeit des Bundespräsidenten. Sie trägt dazu bei, dass das Grundvertrauen in die Politik weiter abnimmt", sagte Gabriel der Tageszeitung "Die Welt". Um der Politikverdrossenheit zu begegnen, bräuchten wir laut Gabriel eine neue Ehrlichkeit. "Wir müssen uns an unsere eigenen Regeln halten. Und manchmal müssen wir uns auch neue Regeln geben."

Wulff war in den vergangenen Wochen unter anderem wegen eines Immobilienkredits von der Unternehmergattin Edith Geerkens unter Druck geraten. Für die Anschlussfinanzierung soll er von der Bank besonders günstige Konditionen erhalten haben. Auch wird ihm vorgeworfen, in seiner Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident teilweise gratis Urlaub in Ferienhäusern und Villen befreundeter Unternehmer gemacht zu haben. Vor Weihnachten hatte er zu den Vorwürfen eine persönliche Erklärung abgegeben und die Bürger um Vertrauen gebeten. In seiner Weihnachtsansprache thematisierte er die Affäre nicht. Stattdessen sprach er über den Zusammenhalt in der Gesellschaft.

Nun fordert der SPD-Vorsitzende Gabriel, dass "sämtliche Einkünfte von Politikern offengelegt werden". Die Bürger hätten "ein Recht darauf zu wissen, wer ihre Abgeordneten bezahlt". Die Politik müsse sich auch "viel mehr wehren gegen die Einflussnahme von Lobbyisten".

Gabriel für "neue Instrumente direkter Demokratie"

Außerdem müssten "neue Instrumente direkter Demokratie" geschaffen werden. Volksabstimmungen über Gesetze oder Gesetzesvorhaben auf Bundesebene hätten "eine heilsame Wirkung auf die Politik". Gabriel: "Wenn Politiker wüssten, dass notfalls das Volk noch einmal über ein im Parlament verabschiedetes Gesetz abstimmen kann, würden sie sich viel mehr Mühe bei der Gesetzgebung und bei der öffentlichen Begründung geben." Dieses Verfahren würde "mehr Ernsthaftigkeit und Substanz in die Politik bringen".

Einen Rücktritt Wulffs vom Amt des Bundespräsidenten lehnte Gabriel ab. "Es wäre verheerend und nahe an einer echten Staatskrise, wenn innerhalb von zwei Jahren zum zweiten Mal ein Bundespräsident zurückträte", sagte der SPD-Chef. "Rückhaltlose Aufklärung soll nicht zum Rücktritt, sondern zu einer Rückkehr in eine angemessene und glaubwürdige Amtsführung führen."

Wulffs Verhalten kritisiert

Gabriel kritisierte zudem das Verhalten Wulffs. Träger öffentlicher Ämter dürften auch Fehler machen, müssten aber "besonders klar, eindeutig und glaubwürdig" damit umgehen, sagte er. "Taktisches Verhalten und Bauernopfer wie die Entlassung seines Pressesprechers sind fehl am Platz." Wulff hatte vergangene Woche seinen langjährigen Sprecher Olaf Glaeseker entlassen.

Zur Affäre um Wulffs Privatkredit sagte Gabriel, es gehe um die Frage, ob Wulff sich als Ministerpräsident an Recht und Gesetz gehalten habe, machte Gabriel deutlich. Dies müsse vor allem im Niedersächsischen Landtag geklärt werden. Außerdem gehe es darum, ob Wulff der Öffentlichkeit die Wahrheit gesagt habe. Würden die offenen Fragen nicht beantwortet, wäre "der Schaden für das Amt des Bundespräsidenten und für das Vertrauen in die Politik enorm", sagte Gabriel. Unklarheiten und Halbwahrheiten seien der Nährboden für Misstrauen und Verdächtigungen.

Der SPD-Chef erinnerte daran, dass Wulff "seinen moralischen Anspruch sehr klar formuliert" habe. Sein Buch "Besser die Wahrheit" sei ein schönes Beispiel dafür. "Daran muss er sich jetzt messen lassen", sagte Gabriel. "Ich halte es für falsch, dass Union und FDP darauf setzen, dass die Sache im Sande verläuft."

(dapd)
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