Das neue Selbstbewusstsein der SPD Gabriel will Macht im Bundesrat ausspielen

Düsseldorf · Mit dem rot-grünen Machtwechsel in Niedersachsen hat die SPD über den Bundesrat neue Gestaltungsmöglichkeiten. Umstrittene Projekte sollen gestoppt werden. Wird die Länderkammer zum Schauplatz eines parteipolitischen Lagerkampfes?

 SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel spricht im Interview mit dem ZDF Klartext.

SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel spricht im Interview mit dem ZDF Klartext.

Foto: Screenshot ZDF

Das Betreuungsgeld ist eigentlich längst durch. In diesem Fall aber liegt die Betonung auf "eigentlich", zumindest, wenn es nach Sigmar Gabriel geht. Die SPD will nach dem Regierungswechsel in Niedersachsen die neu gewonnenen Machtverhältnisse im Bundesrat dazu nutzen, das heftig umstrittene Vorhaben noch irgendwie zu verhindern.

Im ZDF-"heute journal" am Montagabend sprach der SPD-Chef Klartext, als Moderator Claus Kleber ihn auf das von der schwarz-gelben Regierungskoalition favorisierte Unterstützungsgeld für Familien ansprach. "Wir werden alles unternehmen, um dieses unsinnige Betreuungsgeld zu verhindern. Das Geld ist in den Kindertagesstätten und in den Ganztagsschulen besser aufgehoben."

Die SPD, so Gabriel weiter, werde weiterhin das tun, was sie bisher auch getan habe: verantwortungsvolle Politik betreiben und dafür sorgen, dass es mit Deutschland voranginge. Auf die Feststellung Klebers, dass es nach den zunächst versöhnlichen Worten Gabriels nun doch auf eine Blockadepolitik im Bundesrat hinauslaufe und die SPD ja nur Dingen zustimmen werde, die sie auch für richtig halte, konterte Gabriel: "Ja, was erwarten Sie sonst von uns?"

Das zur Schau gestellte Selbstbewusstsein des bildschirmfüllenden SPD-Chefs nach dem Machtwechsel in Hannover gibt einen Ausblick, worauf sich die CDU in den kommenden Monaten in der Länderkammer einstellen kann: unnachgiebige und verhandlungszähe Sozialdemokraten, die den Bundesrat als Schauplatz eines parteipolitischen Lagerkampfs wählen könnten, um sich im Vorfeld der Bundestagswahl in Position zu bringen.

Streitobjekt Betreuungsgeld - Ab August sollen Eltern auf Betreiben der CSU Geld erhalten, die für ihre Kinder im zweiten und dritten Lebensjahr keinen Kita-Platz oder eine staatlich bezahlte Tagesmutter in Anspruch nehmen. Vorgesehen ist ein Betreuungsgeld von zunächst 100 Euro, später 150 Euro im Monat.

Am Ende des Gesprächs sendete Gabriel eine Warnung in Richtung CDU und FDP: "Nichts ist in der Politik endgültig abgeschlossen." Doch nicht nur das Betreuungsgeld birgt Konfliktpotenzial.

Mindestlohn — SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier kündigte an, über die Vertreter der Länder eine Initiative zur Einführung eines Mindestlohns einzubringen. "Wir werden unsere Mehrheit im Bundesrat nutzen, um wichtige Themen zu transportieren, während die Kanzlerin versucht, die Menschen einzulullen, sagte Steinmeier der "Passauer Neuen Presse". Die Linke kündigte bereits ihre Unterstützung an.

Steuerabkommen — Einer der größten parteipolitischen Zankäpfel ist das umstrittene Abkommen mit der Schweiz, das vorerst auf Eis gelegt ist. Schwarz-Gelb hatte das Vermittlungsergebnis von Mitte Dezember abgelehnt. SPD und Grüne hatten anschließend neue Verhandlungen gefordert.

Nun wird erwartet, dass der Bundesrat das Gesetz erneut ablehnt. Damit wäre das Abkommen endgültig gescheitert. Und das wäre ganz nach dem Geschmack Gabriels. Denn dieses laut SPD-Chef unfaire Steuerabkommen, "das millionen- und milliardenschweren Steuerbetrug legalisiert, werden wir nach wie vor ablehnen."

Harsche Kritik an der Haltung der SPD äußerte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Die SPD ermögliche "mit ihrer unverantwortlichen Obstruktionspolitik im Bundesrat fortgesetzte Steuerhinterziehung in der Schweiz." Das Abkommen hatte für deutsches Schwarzgeld eine pauschale, anonyme und abgeltende Nachversteuerung mit Sätzen zwischen 21 und 41 Prozent vorgesehen.

Vermögensteuer — Die SPD-Spitze arbeitet an einer Initiative, die umstrittene Vermögensteuer wiedereinzuführen. Auch hier signalisierte die Linke bereits ihre Bereitschaft, einen entsprechenden Vorstoß im Bundesrat zu unterstützen. Eine Arbeitsgruppe der von Rot-Grün regierten Bundesländer hatte bereits im vergangenen Jahr Eckpunkte erarbeitet.

Grundsätzlich sollen demnach Großvermögen von mehr als zwei Millionen Euro jährlich mit einem Prozent besteuert werden. 11,5 Milliarden Euro könnte diese Steuer jährlich in die Länderhaushalte spülen. Die Vermögensteuer in früherer Form war vom Bundesverfassungsgericht gekippt worden. Auf eine Neuregelung hatte die damalige schwarz-gelbe Regierung von Helmut Kohl verzichtet und die Steuer 1997 abgeschafft.

Steuerliche Gleichstellung von Homosexuellen - Wegen des Streits um die steuerliche Gleichstellung Homosexueller hatte die schwarz-gelbe Koalition das Jahressteuergesetz im Bundestag scheitern lassen.

Über die Vorlage war im Vermittlungsausschuss zunächst ein Kompromiss mit SPD und Grünen ausgehandelt worden. Nur die Angleichung der Steuervorschriften für eingetragene Lebenspartnerschaften an die Regeln für Verheiratete blieb strittig. Gegen diese Gleichstellung gibt es weiterhin Vorbehalte in der Union.

Aufgrund der Entscheidung des Bundestages wird das gesamte Gesetz vorerst nicht umgesetzt. Über den Bundesrat aber wollen SPD und Grüne nun Initiativen starten, die "überfällige Gleichstellung der Lebenspartnerschaften" (SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann) durchzuringen.

Doppelte Staatsbürgerschaft - SPD-Chef Gabriel will nach einem Sieg bei der Bundestagswahl die doppelte Staatsbürgerschaft in Deutschland einführen. "Ich finde, das ist etwas, was wir endlich machen sollten", sagte Gabriel am Dienstag in Berlin.

Dafür sei eine Mehrheit in Bundestag und Bundesrat notwendig. Gabriel betonte, die linke Mehrheit, die es nach der Niedersachsenwahl im Bundesrat gebe, sei in erster Linie dazu wichtig, zentrale SPD-Vorhaben nach einem möglichen Regierungswechsel im September umzusetzen.

Das neue Selbstbewusstsein der Genossen und Grünen verspricht ein spannendes Wahljahr.

mit Agenturmaterial

(nbe)
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