Interview mit dem Umweltminister Gabriel kritisiert Ackermanns "Symbolpolitik"

Berlin (RP). Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) spricht im Interview mit unserer Redaktion über den designierten SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering, die Gehälter von Bank-Managern und das neue Selbstbewusstsein der Sozialdemokraten.

 Sigmar Gabriel setzt auf den "Münte-Effekt".

Sigmar Gabriel setzt auf den "Münte-Effekt".

Foto: AP, AP

Der Kapitalismus in der Krise, Manager am Pranger. Gute Zeiten für einen SPD-Parteitag, oder?

Gabriel Was wir erleben ist der Beweis dafür, dass Märkte zwar wichtig sind, aber Spielregeln brauchen, die der Staat setzen muss. Der Staat darf nicht zum Nachtwächterstaat degenerieren, wie es FDP und Teile der Union immer gefordert haben. Das Primat der Politik — um nicht zu sagen, das Primat der Demokratie — setzt sich durch. Und die SPD kann mit Stolz und Selbstbewusstsein auf ihre Positionen verweisen. Zu Häme besteht aber kein Grund.

Und wenn die Krise vorbei ist, geht alles weiter wie bisher?

Gabriel Die Manager werden das schnell wieder vergessen wollen. Ob die Politik es vergisst, entscheidet sich bei der nächsten Bundestagswahl.

Erwarten Sie einen stärkeren Beitrag der Bank-Manager?

Gabriel Es reicht jedenfalls nicht aus, dass Bank-Chefs ihre Boni, also Zusatzprämien, gönnerhaft abgeben. Das ist reine Symbolpolitik. Ein glaubhafter Beitrag wäre es, wenn die Managerhaftung verschärft würde.

Profitiert die SPD bei der Bundestagswahl 2009?

Gabriel Diejenigen werden profitieren, die sich klar und überzeugend für Regelungen einsetzen, die Effizienz und Dynamik auf den Märkten zulassen, aber auch die richtigen Rahmenbedingungen dafür setzen. Dazu gehören auch die Sozialdemokraten. Übrigens ist das ein Beleg dafür, wie recht Gerhard Schröder damit hatte, dass er sich um die industriellen Kernbereiche gekümmert hat und nicht alles der Abhängigkeit und der Logik der Finanzmärkte unterwerfen wollte.

Also eine Art Re-Industrialisierung?

Gabriel In der Tat. Die Stütze unserer Wirtschaftsordnung sind industrielle Kerne, das produzierende Gewerbe und florierende Dienstleistungen. Meine Hoffnung ist, dass es eine Besinnung auf nachhaltiges Wirtschaften gibt, das Investitionen in die reale Wirtschaft und nicht in spekulative Märkte mit sich bringt. Ein realer Markt wird beispielsweise der wachsende Energiemarkt sein. Investitionen in diesem Sektor werfen deutlich nachhaltigere Gewinne ab als Spekulationen mit Fantasieprodukten.

Rückt Deutschland weiter nach links?

Gabriel Ich halte nichts von Extrem-Reaktionen. Genauso falsch wie die Vergötterung der Märkte ist die Verstaatlichungs-Orgie der Linkspartei.

Zum SPD-Parteitag. Wie erklären Sie den Menschen, dass Franz Müntefering, der Parteibeschlüsse wie das Aufweichen der Rente mit 67 oder die Verlängerung des Arbeitslosengelds I ablehnt, nun Parteichef werden soll?

Gabriel Franz Müntefering steht für einen enormen Erfolg sozialdemokratischer Regierungspolitik. Wir haben 1,6 Millionen Arbeitslose weniger als 2005, den Einstieg in Mindestlöhne, eine solide Haushaltspolitik und auch eine Steigerung der Ausgaben für Umweltschutz. Das alles ist unter seiner Führung zustande gekommen. Er ist ein Erfolgsgarant sozialdemokratischer Politik und hat ein hohes Maß an Respekt und Glaubwürdigkeit in der Bevölkerung.

Bei der Rente mit 67 steht er gegen die Mehrheit seiner Partei.

Gabriel Franz Müntefering weiß, dass die SPD nicht die Absicht hat, die Rente mit 67 aufzugeben. Wir müssen aber die Frage klären, wie wir Menschen einen Übergang in die Rente ohne Einkommensverluste ermöglichen, die nicht einmal bis 62 arbeiten können. Ich weiß das aus meiner Familie. Meine Mutter war Krankenschwester. Und ich kenne keine Krankenschwester, die mit 67 Jahren noch einen Patienten heben kann.

Wird die Art, wie Franz Müntefering wieder an die Parteispitze gekommen ist, bei seiner Wahl eine Rolle spielen?

Gabriel Nein, wir schauen nicht zurück. Franz Müntefering wird ein gutes Ergebnis bekommen.

Wird die SPD Konjunkturmaßnahmen in Aussicht stellen?

Gabriel Wir haben ja bereits ein kleines Konjunkturprogramm beschlossen. 2009 werden Investitionen in erneuerbare Wärmetechnologien in Höhe von vier Milliarden Euro mit Hilfe staatlicher Zuschüsse ausgelöst. Zusammen mit dem Gebäudesanierungsprogramm hilft das dem Handwerk massiv und lässt sich noch ausbauen.

Und Sie wollen Armen Zuschüsse für neue Kühlschränke geben?

Gabriel Die SPD wird sicher Anreize zum Energiesparen, die Bürger von Kosten entlasten und gleichzeitig dem Umweltschutz dienen, in ein Regierungsprogramm aufnehmen. Ein Vorschlag ist, dass Energieberater kostenlos bei einkommensschwachen Haushalten Sparpotenziale ermitteln. Diese Menschen sollen beim Kauf eines neuen, energiesparenden Haushaltsgeräts einen Zuschuss bekommen können.

Michael Bröcker führte das Gespräch

(RP)
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