Opfer der G20-Krawalle Die Entschädigungen sind nur ein Trostpflaster

Meinung | Hamburg · Dass die Opfer der Hamburger Krawalle schnell entschädigt werden sollen, ist nicht weniger als eine Selbstverständlichkeit. Die wahre Aufgabe ist eine andere: Der Staat muss schnell den Beweis antreten, dass er seine Bürger schützen kann.

Die Opfer der Gewaltexzesse in Hamburg sollen entschädigt werden, schön und gut. Laden- oder Autobesitzer, von denen viele wahrscheinlich ohnehin versichert sind, bekommen vorab vom Staat beziehungsweise vom Steuerzahler schon mal ein finanzielles Trostpflaster.

Ein anderer als dieser erste Reflex von Merkel und Scholz hätte den politischen Schaden der G20-Krawalle nur noch gesteigert. Insofern helfen sich die Kanzlerin und der Bürgermeister damit auch erst einmal selbst. Entschädigungen für die Opfer sind allerdings selbstverständlich. Sie können und sollten aber nicht verdecken, dass die Polizei die betroffenen Bürger und Unternehmer vor dem entfesselten Mob nicht hat ausreichend schützen können.

Die Frage der Entschädigung ist zweitrangig, was die Menschen umtreibt, ist vielmehr diese Frage: Ist der Staat im Falle solcher brutalen und vorbereiteten Ausschreitungen in der Lage sie zu schützen? Im Hamburger Schanzenviertel konnten kriminelle Chaoten stundenlang ihr Unwesen treiben, ohne dass die Polizei einschritt — und das nicht nur während einer Nacht, sondern während mehrerer Nächte hintereinander. So etwas macht Angst. Der Rechtsstaat war mit 21.000 Polizisten zeitweise für alle in Deutschland sichtbar überfordert, sein Gewaltmonopol gegen 1000 gut organisierte Polit-Hooligans durchzusetzen. Deshalb muss der Staat jetzt in erster Linie schnell und intensiv nach neuen Strategien suchen, wie er die Wiederholung solcher Szenen verhindert. Noch mehr Polizei wird dabei nicht helfen.

Strukturveränderungen schon eher, etwa mehr Präventionsprogramme, mehr Sozialarbeit, bessere Einreisekontrollen, schnellere Strafverfahren und Verurteilungen zur Abschreckung. Entschädigungen vom Staat können sicher helfen, die Existenzsorgen der Betroffenen zu lindern. Es ist deshalb auch gut, wenn es dem Bund und der Stadt Hamburg wie versprochen gelingt, den Betroffenen schon "in wenigen Tagen" unbürokratisch ein Entschädigungsangebot zu machen.

Doch die Furcht vor extremistischen Ausschreitungen und rechtsfreien Räumen lindern sie damit noch lange nicht.

(mar)
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