Regierung beschließt Gesetzesreform Fußfessel statt Sicherungsverwahrung

Berlin/Düsseldorf (RP). Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) will gemeingefährliche Triebtäter und andere notorische Gewaltverbrecher, die ihre Haft verbüßt haben, mit neuartiger Aufenthalts-Überwachungstechnik unter Kontrolle halten. Die Polizei zeigt sich skeptisch.

 Andrea Bartolemo ist wegen Körperverletzung vorbestraft. Er wird von Bewährungshelfer Hans-Dieter Amthor (hi.) betreut. Die Fußfessel ermöglicht dem 28-Jährigen, in einer Autowerkstatt zu arbeiten.

Andrea Bartolemo ist wegen Körperverletzung vorbestraft. Er wird von Bewährungshelfer Hans-Dieter Amthor (hi.) betreut. Die Fußfessel ermöglicht dem 28-Jährigen, in einer Autowerkstatt zu arbeiten.

Foto: ddp

Die von CDU/CSU und FDP gebildete Bundesregierung hat am Mittwoch in Berlin die Reform der Sicherungsverwahrung beschlossen. Die Regierung will erreichen, dass künftig aus der Haft zu entlassende, aber weiterhin als gefährlich eingestufte Triebtäter auch mittels elektronischer Aufenthalts-Überwachung ("Fußfessel") unter Kontrolle bleiben.

NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) begrüßte am Mittwoch bei der Justizministerkonferenz in Hamburg die Initiative ihrer Amtskollegin für den Bund, Sabine Leuthheusser-Schnarrenberger (FDP). Am Donnerstag will die Bundesjustizministerin im Kreise ihrer Länderkollegen ihre Vorstellungen detailliert präsentieren.

Die Eckpunkte für die Gesetzesreform (ein Gesetzentwurf der Regierung ist für Juli geplant) sehen außerdem vor, Sicherungsverwahrung künftig nur noch gegen notorische Sexual- und andere Gewaltverbrecher zu verhängen. Bislang kann auch gegen Delinquenten, die beispielsweise einen gemeingefährlichen Hang zu Vermögensdelikten wie Diebstahl oder Betrug aufweisen, Sicherungsverwahrung nach Verbüßung der Haftstrafe richterlich verfügt werden.

Urteil des Menschengerichtshofes

Die Bundesregierung reagierte mit ihrem Reformplan nicht zuletzt auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Straßburg vom Dezember 2009. Darin wurden Teile der deutschen Regelung für die nachträgliche Sicherungsverwahrung für menschenrechtswidrig erklärt.

"Straßburg" kritisierte, dass ein Kreis von Sicherungsverwahrten, die gemäß einer bis 1998 geltenden Altregelung damit rechnen durften, spätestens nach zehn Jahren aus der Sicherungsverwahrung entlassen zu werden, dennoch über die Zehn-Jahres-Frist hinaus in Gewahrsam blieben, weil in der Zwischenzeit die Befristung aufgehoben worden war.

Da die Bundesrepublik Deutschland die Entscheidungen des Straßburger Gerichtshofes zu berücksichtigen hat, müssten nunmehr nach Einschätzung von Leutheusser-Schnarrenberger möglicherweise 70 bis 80 Menschen aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden, die nach wie vor als gefährlich gelten. Diese "tickenden Bomben" könnten dann per "Fußfessel" unter einer gewissen Kontrolle gehalten werden, wenn der Plan der Regierung Gesetz würde.

Leutheusser-Schnarrenberger unterstrich, dass die "Fußfessel" nur für diejenigen Fälle gedacht sei, bei denen Sicherungsverwahrung verfassungsrechtlich nicht in Betracht komme. Eine "Fußfessel" würde ihrer Meinung nach die Polizei enorm entlasten, weil die gefährlichen Personen nicht mehr rund um die Uhr bewacht werden müssten.

Polizeigewerkschaft skeptisch

Derzeit seien Menschen in Sicherungsverwahrung, so die Ministerin, die nach Haftverbüßung unbefristet, im Extremfall bis an ihr Lebensende weggesperrt blieben: "Und das ist nicht rechtmäßig. Deshalb müssen wir überlegen, was wir mit wirklich sehr, sehr gefährlichen Tätern machen."

Die Gewerkschaft der Polizei (GDP) äußerte sich skeptisch. Die "Fußfessel" sei nur bedingt geeignet, weitere Straftaten zu verhindern. Man solle die Bevölkerung nicht in falscher Sicherheit wiegen. So könne ein in der "Fußfessel" integrierter Sender nicht den Kontakt des Überwachten beispielsweise mit einem Kind erkennen.

Den Plänen zufolge soll nicht die gesamte, sondern die 2004 eingeführte nachträgliche Sicherungsverwahrung, die am Ende einer Haftstrafe angeordnet werden kann, abgeschafft werden. Stattdessen will man die vorbehaltene Sicherungsverwahrung ausbauen. Dabei muss sich das Gericht, das die Haftstrafe verhängt, bereits in seinem Urteil die Sicherungsverwahrung vorbehalten, falls die Gefährlichkeit des Täters zum Zeitpunkt des Urteils nicht zweifelsfrei festzustellen ist.

Der Vize-Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Olaf Scholz, begrüßte die Pläne. Der Gesetzgeber dürfe die Justiz nicht alleine lassen und mit der Gesetzgebung erst beginnen, wenn freigelassene Täter neue Verbrechen begangen haben, erklärte er.

(RP)
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