SPD-Kanzlerkandidat unter Druck Für Steinmeier geht es um alles

Berlin (RP). SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier steht nach der Europawahl-Schlappe unter enormen Druck. Auf dem Parteitag am Sonntag muss der SPD-Vize mit der "Rede seines Lebens" sich selbst retten. Seine Strategie: Attacke.

SPD-Desaster - Abgesang auf eine Volkspartei
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Foto: AP

Niederlagen kannte Frank-Walter Steinmeier bisher kaum. Seitdem der SPD-Kanzlerkandidat Ende der 1970er Jahre als Anführer der Jungsozialisten in seiner lippischen Heimat Brakelsiek den Bau eines Jugendzentrums durchsetzte, gehört der Erfolg zum politischen Gencode Steinmeiers.

Über die Blitzkarriere vom Medienreferenten bis zum Merkel-Herausforderer schrieb sein früherer Chef, Altkanzler Gerhard Schröder: "Alle, an denen er vorbeischoss, gaben mir das Gefühl: Klar, er ist der Beste”.

Vergangenen Sonntag erlebte Steinmeier seine erste deftige Niederlage. Erstmals stellte sich der SPD-Politiker einer Abstimmung ­ und verlor. Das desaströse Ergebnis bei der Europawahl traf den Kanzlerkandidaten, den seine Partei stets neben dem eigentlichen Europa-Kandidaten Martin Schulz plakatiert hatte, tief. Eine schwere Woche folgte.

"Die Rede seines Lebens"

Erst ließ sich der Außenminister in der TV-Talkshow "Anne Will” von einem Jungunternehmer in die Ecke stellen. Später schwächten die Parteifreunde ihren Spitzenmann durch ungefragte öffentliche Solidaritätsadressen. Gestern nun die Horror-Zahlen der Demoskopen: Die SPD verliert in der Wählergunst deutlich und ausgerechnet der Kabinettsneuling und Intimfeind der Sozialdemokraten, Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), ist der neue Volksliebling.

Was nun? Der SPD-Wahlparteitag am Sonntag wird zum Lackmustest für Steinmeiers Autorität. Der Mann, der sich als Firmenretter inszenierte, muss sich selbst retten. Er muss die "Rede seines Lebens” halten, heißt es im Willy-Brandt-Haus. Steinmeier muss in zwei Stunden die Partei aufrichten, Siegeswillen demonstrieren.

Die Losung lautet Offensive. "Jetzt erst recht” ist das trotzige Motto in der SPD-Spitze. Leidenschaftlich und kämpferisch werde die Rede sein, sagt einer von Steinmeiers wichtigsten Beratern. Und "sie richtet sich an die Delegierten”.

Mobilisierungsprobleme haben die Berater als größtes Defizit ausgemacht. Nun müsse die Partei mit in die Verantwortung genommen werden. Wie? Über die Polarisierung. Der Hauptgegner, Schwarz-Gelb, wird ins Visier genommen. SPD-Vize Andrea Nahles bringt es auf den Punkt. "Wir brauchen mehr Schwung im eigenen Laden.”

Erinnerungen an Mannheim

Nach Jahren der Wahlniederlagen und Führungsquerelen sehnen sich die Genossen nach dem Glücksgefühl. Man will wieder stolz sein (dürfen) auf die Partei. Das Image des ewigen Verlierers konnte die SPD auch unter Steinmeier und Müntefering nicht abstreifen. "Wenn schon CDU-Leute Mitleid mit uns haben, wird‘s eng”, sagt ein SPD-Bundestagsabgeordneter.

Erinnerungen an den Mannheimer Parteitag 1995 werden wach. Damals lähmte ein geschwächter SPD-Chef Scharping die Delegierten. Mit einer Jahrhundert-Rede putschte sich Oskar Lafontaine an die Macht und führte die SPD einige Jahre später mit Gerhard Schröder ins Kanzleramt. Morgen ist indes kein Putsch zu erwarten. Und wohl auch keine Jahrhundertrede. Dafür ist Steinmeier nicht der Typ.

Immerhin hat die Parteitagsregie alles auf ihn ausgerichtet. SPD-Chef Franz Müntefering spricht nur ein kurzes Grußwort. Steinmeier selbst muss es richten.

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