Streit in der großen Koalition Frühstart in den Wahlkampf

Berlin (RP). Die große Koalition wollte wegen der Finanzkrise den Streit der Parteien auf nur wenige Wochen vor dem Wahltermin beschränken. Nach dem Aus für das Umweltgesetzbuch beginnt der Stellungskampf schon jetzt.

 Die gegensätzlichen Positionen in der großen Koalition.

Die gegensätzlichen Positionen in der großen Koalition.

Foto: Bild: DDP/Grafik: Claudia Sander

Das war kein guter Tag für die Koalition. Erst polterte ein sichtlich enttäuschter Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) gegen CSU und Kanzlerin. Dann warf CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla den Genossen vor, die "Backen reichlich aufzublasen". Schließlich beharkten sich Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) und Familien-Ressortchefin Ursula von der Leyen (CDU) über Hartz-IV-Sätze für Kinder und warfen sich eklatante Versäumnisse (von der Leyen) und soziale Kälte (Scholz) vor.

Noch sind es fast acht Monate bis zur Bundestagswahl. Doch Union und SPD, noch immer Partner in einer großen Koalition, gehen schon jetzt in Wahlkampfstellung. Es "rüttele und ruckele" im Regierungsbündnis, stellte Vizekanzler und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) fest, bevor er als erster europäischer Chefdiplomat zur neuen amerikanischen Außenministerin Hillary Clinton aufbrach.

Umweltgesetzbuch entzündet Koaltions-Streit

Entzündet hatten sich die Wahlkampf-Funken am Scheitern des Umweltgesetzbuches (UGB). Es war eines der Vorhaben der großen Koalition, die noch nicht umgesetzt waren. Für Umwelt-Ressortchef Gabriel wäre es die Vollendung eines jahrzehntealten Projektes gewesen. Bis zuletzt hatte der Sozialdemokrat gekämpft, sich kompromissbereit gezeigt und war sogar im Auftrag der Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zum Chef der Schwesterpartei, Horst Seehofer, geeilt.

Alles umsonst. "Die haben uns den politischen Erfolg nicht gegönnt", schimpfte Gabriel gestern vor Journalisten. Neben Seehofer und dem bayerischen Umweltminister Markus Söder (CSU) bekam auch die Regierungschefin ihr Fett ab. "In der CDU gibt es niemand, der für Ordnung sorgt", ereiferte sich der SPD-Minister.

In der Sache ging es vor allem um das integrierte Genehmigungsverfahren, dem sich Unternehmen bei einem einheitlichen Umweltrecht künftig unterziehen müssten. Wasserrecht, Immissionsbestimmungen und Vorschriften des Naturschutzes wären in einem Aufwasch geprüft worden, preist Gabriel sein Gesetzeswerk. Für Seehofers Fachminister Söder ist es dagegen ein "bürokratisches Monster", das mit Bayern nicht zu machen sei.

Streit auch in der Union

Tatsächlich steht der CSU-Politiker mit dieser Meinung ziemlich allein da. Im Präsidium der Schwesterpartei machte der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) seinem Ärger hinter verschlossenen Türen reichlich Luft. "15 Umweltminister waren sich einig", polterte der Schwabe. "Nur die CSU spielt wieder eine Sonderrolle", grollte er laut Sitzungsteilnehmern.

Nicht einmal von seinem niedersächsischen Amtskollegen Christian Wulff (CDU) ließ er sich beruhigen. Der meinte nach dem Scheitern des UGB noch fröhlich: "Dann machen wir es jetzt halt selbst." Doch ihm fuhr Oettinger schneidend über den Mund. Die Kanzlerin ließ Verständnis für Gabriel durchblicken. Sie akzeptiere dessen Entscheidung, das Projekt nicht weiter zu verfolgen, sagte Regierungssprecher Thomas Steg.

Mindestlohn und Hartz IV

Auch auf anderen Gebieten sind sich die Koalitionspartner derzeit nicht grün. So ist es den Spitzen aus Union und SPD noch immer nicht gelungen, sich über Lohnuntergrenzen für die Zeitarbeitsbranche zu einigen. Morgen sollte das neue Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, das die Mindestlöhne in diesem Sektor regelt, im Kabinett beschlossen werden. Vorher wollte eine Spitzenrunde im Kanzleramt unter Führung von Amtschef Thomas de Maizière den Konflikt lösen. Jetzt stehen sich auch hier die Fronten unversöhnlich gegenüber und vergiften das Koalitionsklima.

Erbittert trugen auch die Familienministerin und der Chef des Arbeitsressorts ihren Streit um die Festlegung der Sätze für sechs- bis 14-jährige Hartz-IV-Empfänger aus. Der Arbeitsminister solle "auf Euro und Cent darlegen, was ein Kind braucht", forderte von der Leyen in unserer Zeitung. Genau damit habe er die jüngste Erhöhung des Satzes um 35 auf 246 Euro begründet, konterte Scholz. Sogar persönlich beschwerte er sich bei der CDU-Ministerin über deren Vorstoß. Die gab sich gelassen. Der Wahlkampf hat eben begonnen.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort