Verfassungsgericht in der Kritik Friedrich verbittet sich Einmischung durch Karlsruhe

Berlin · Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich hat Deutschlands obersten Verfassungsrichter in ungewöhnlich scharfer Form gerügt und sich eine Einmischung in die Politik verbeten. "Wenn die Verfassungsrichter Politik machen wollen, mögen sie bitte für den Deutschen Bundestag kandidieren", erklärte der CSU-Politiker auf einer Veranstaltung des Bundesverfassungsschutzes am Dienstag in Berlin.

Das ist Hans-Peter Friedrich
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Ansonsten wäre es freundlich, wenn sich auch Verfassungsrichter an die Verfassung hielten und "sich nicht in die Tagesordnung einmischen würden, sondern Recht sprechen nach unserer Verfassung". Er hoffe, dass diese Botschaft ankomme.

Friedrichs Attacke richtete sich offenbar gegen den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, dessen Namen er jedoch nicht nannte. Voßkuhle hatte nach dem Anschlag von Boston vor überzogenen Reaktionen gewarnt und zur Besonnenheit gemahnt. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle hat Voßkuhle gegen die Kritik aus der CSU in Schutz genommen. "Ich halte es durchaus für legitim, dass Herr Voßkuhle seine Meinung geäußert hat, die sich im Übrigen weitgehend mit meiner deckt."

Kritik der Politik an der unabhängigen Justiz, die sogenannte Justizschelte, ist in Deutschland eigentlich ein Tabu. Das Bundesverfassungsgericht hatte in der Vergangenheit mehrfach Sicherheitsgesetze zum Ärger der Politik kassiert oder stark beschnitten, darunter unter anderem 2010 die Vorratsdatenspeicherung. Am Mittwoch urteilt das Gericht über die Zulässigkeit der gemeinsamen Anti-Terror-Datei von Polizei und Geheimdiensten.

Friedrich betonte in seiner Rede, er habe nach dem Attentat am Rande des Marathonlaufes in Boston durchaus besonnen reagiert. Zugleich erneuerte er seine Forderung nach einer Ausweitung und Verbesserung der Videoüberwachung in Deutschland. Diese Technik habe in den USA zur Ergreifung der mutmaßlichen Täter geführt, sagte der Minister. Die Attentäter, die am Bonner Hauptbahnhof eine Bombe in einer Tasche abgestellt hatten, seien dagegen immer noch nicht festgenommen worden. Mangels öffentlicher Videoüberwachung seien die Ermittler hier auf Bilder einer Überwachungskamera der örtlichen McDonald's-Filiale angewiesen.

Umgang mit Hasspredigern wird geprüft

Das Argument der Überwachungsgegner, dass eine Videokamera niemanden festnehme, sei nicht stimmig. "Wenn Sie den Attentäter nach dem ersten Anschlag wie in Boston festnehmen, dann ist der zweite und der dritte Anschlag verhindert", betonte Friedrich. Der Minister kündigte auch ein härteres Vorgehen gegen Hassprediger an. Das Innenministerium prüfe derzeit, wie sich die Ausweisung von Hasspredigern erleichtern lasse, sagte er CSU-Politiker. Bei der Innenministerkonferenz Ende Mai in Niedersachsen wolle er seinen Länderkollegen dazu einen Vorschlag präsentieren. Die Gesellschaft müsse es sich nicht gefallen lassen, dass radikale Islamisten Unfrieden stifteten und zu Gewalt und Kriminalität aufriefen. Die Demokratie müsse auch in diesem Fall wehrhaft sein.

Hassprediger spielen eine wichtige Rolle bei der Radikalisierung junger Menschen. Einige ihrer Schützlinge lassen sich von den Aufrufen zur Gewalt mitreißen und ziehen später in Terror-Camps und in den Dschihad (Heiligen Krieg). Die Szene hat sich auch ins Internet verlegt, wo sie für die Sicherheitsbehörden noch schwieriger zu überwachen ist als in Moscheen. Friedrich hat deshalb seit dem Sommer mehrere salafistische Organisationen verbieten lassen, die im Internet zum Dschihad aufriefen. In Deutschland leben nach Erkenntnissen des Bundeskriminalamtes etwa 140 sogenannte Gefährder, denen die Sicherheitsbehörden einen Anschlag zutrauen.

Bei dem Bombenattentat auf den Boston-Marathon waren am Montag vor einer Woche drei Menschen getötet und mehr als 260 verletzt worden. Tatverdächtig sind zwei aus Tschetschenien stammende Brüder, von denen einer bei einem Schusswechsel mit der Polizei starb und der andere schwer verletzt festgenommen wurde. Die US-Bundespolizei hatte sich bei der Fahndung auf Videoaufnahmen gestützt.

(REU/felt)
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