Verhältnis von CDU und CSU Merz und Söder – noch hält der Friedensvertrag

Analyse | Berlin · Seit rund einem Jahr müssen CDU-Chef Friedrich Merz und der CSU-Vorsitzende Markus Söder miteinander klarkommen. Beide halten sich an den „Friedensvertrag“, den die Schwesterparteien nach dem Debakel bei der Bundestagswahl geschlossen haben. Bislang jedenfalls.

 Ein fast schon historisches Foto der Versöhnung - Markus Söder (l.) und Friedrich Merz Anfang 2022 am oberbayerischen Kirchsee.

Ein fast schon historisches Foto der Versöhnung - Markus Söder (l.) und Friedrich Merz Anfang 2022 am oberbayerischen Kirchsee.

Foto: dpa/Peter Kneffel

Zwei Männer auf einem Steg, um sie herum schlägt der oberbayerische Kirchsee Wellen, vor ihnen sieht man die in Wolken gehüllten Berge. In diesem rauen Klima legt der eine fast sanft seine Hand auf die Schulter des anderen. Das muss eine echte Männerfreundschaft sein. Alles ist (wieder) gut trotz stürmischer Zeiten.

Friedrich Merz im Janker, Markus Söder in der dunkelblauen Allzweckjacke, so sehen sich beide auch ein wenig selbst. Konservativ, aber zu allem bereit. Wir schreiben den 3. Januar 2022. Es ist der Panorama-Gipfel der Versöhnung zwischen den Schwesterparteien, angeführt vom damals designierten CDU-Vorsitzenden und dem bayerischen CSU-Enfant-Terrible, das Monate zuvor der Union den Bundestagswahlkampf mit vermasselt hat. Trägt die seinerzeit neu entfachte, politische Liebe immer noch? Wo liegen die Risiken?

„2021 wird sich nicht wiederholen.“ Das ist das Versprechen, mancher sagt die Drohung von Friedrich Merz. Im Jahr der Bundestagswahl wäre Söder gerne Kanzlerkandidat geworden. Nach einem erbitterten Machtkampf musste er aber das Feld CDU-Mann Armin Laschet überlassen. Die damals geschworene Unterstützung gab es nicht, Söder torpedierte, wie und wo er nur konnte.

Was folgte, war eine historische Niederlage der Union bei der Wahl, auch deswegen. „Das ist nicht vergessen“, heißt es heute immer noch aus der CDU-Führung. Auf dem letzten Parteitag der Christdemokraten in Hannover wurde Söders Gastauftritt zwar gefeiert. Aber nicht aus Überzeugung. Dass der Bajuware die Chance für einen zweiten Anlauf zu einer Kanzlerkandidatur bekommen könnte, aus CDU-Sicht so gut wie ausgeschlossen.

Merz und Söder, das funktioniert bisher. „Wir sind zwei Parteivorsitzende, die sich ausgesprochen gut verstehen“, schwärmte der Sauerländer kürzlich im TV. „Was wir beide nicht geglaubt hätten, wir arbeiten ehrlich gesagt super zusammen“, ergänzte Söder freudig in derselben Sendung. Sie duzen sich, sie reden zwei bis dreimal die Woche miteinander; sonntags gibt es häufig ein Telefonat, am Montagmorgen folgt die Vorbesprechung der Parteichefs und Generalsekretäre zur Themenlage. Beide geben demnächst ein Doppelinterview. Der „Friedensvertrag“, von dem in der CDU die Rede ist, wird eingehalten.

Was Merz hilft, ist die Landtagswahl in Bayern im kommenden Jahr. Auch in München, auch in der CSU-Landesgruppe im Bundestag ist man inzwischen der Überzeugung, dass Streit bis dahin nur schadet. „Das haben wir gelernt“, so ein Christsozialer mit einem Augenzwinkern. Die Umfragen, wird analysiert, würden auch deshalb für Söder steigen, weil er nicht dauernd nörgele.

Sollte es dennoch wieder unerwartet eng werden in den Wochen vor dem Urnengang im Oktober, könnte der Ministerpräsident erneut in Richtung Berlin keilen. Gegen die Ampel, gegen die Performance der großen Schwester. Merz ist innerlich darauf vorbereitet. Allerdings genauso auf etwas anderes: Sollte Söder die Wahl deutlich gewinnen, „werden die Bayern mal wieder vor Kraft nicht laufen können“, warnt ein Insider. Auch darauf stellen sie sich bei der CDU ein.

Derzeit ist es allerdings so, dass die CSU in Berlin zu dem geschrumpft ist, was sie eigentlich ist - zur Regionalpartei. Ihre Stärke hat sie meist aus Ministerämtern und ihrem Einfluss in der Regierung gezogen. Das ist seit der Wahl passé. Merz führt die Fraktion zudem geschickt, bindet die Bayern ein; er hat ein gutes Verhältnis zum Landesgruppenvorsitzenden Alexander Dobrindt.

Die bundespolitische CSU-Schwäche verleiht Merz zusätzliche Stärke. Auf der anderen Seite erkennen die Bajuwaren an, mit welchem Elan der Sauerländer derzeit versucht, die CDU strukturell umzukrempeln sowie inhaltlich neu auszurichten. Und wie er als Oppositionsführer die Ampel stellt.

Die Beziehung von CDU-Chef und CSU-Vorsitzendem ist freilich nie spannungsfrei gewesen. Helmut Kohl und Franz-Josef Strauß waren wie Feuer und Wasser, Strauß hielt nicht viel vom Pfälzer. Angela Merkel überließ Edmund Stoiber 2002 die Kanzlerkandidatur, war bei den Bayern nie sonderlich gelitten; sie wurde erst während ihrer Kanzlerschaft respektiert.

Aber nicht immer: Horst Seehofer trug als CSU-Chef 2018 einen heftigen Flüchtlingsstreit mit Merkel aus, der die Schwestern bis an den Rand des Bruchs brachte. Erste Versöhnungsarbeiten danach leisteten die frühere CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer und eben Söder.

Nun müssen er und Merz miteinander klarkommen. Viel verbindet beide nicht. Während der 55-jährige CSU-Mann Politik aus dem Bauch herausmacht und schon mal Bäume umarmt, denkt der 67-jährige Merz eher strategisch, obwohl auch er manchmal emotional forsch agiert. Merz bindet andere ein, ist verbindlich im Ton, von Söder heißt es, er herrsche. „Wir beide gehören nicht zu unserem engsten Freundeskreis“, meinte Merz neulich im Fernsehen. Ist vermutlich auch besser so. Die nächste Auseinandersetzung kommt bestimmt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort