"Zukunftstreffen" der Union Eine Versöhnung als Seehofers Inszenierung

Am Tag, an dem die SPD in einer Umfrage an der Union vorbeizieht, beschließen CDU und CSU den Schulterschluss. Es ist erst einmal nur der Versuch von Gemeinsamkeit.

 Bundeskanzlerin Angela Merkel und Horst Seehofer geben am 6. Februar 2017 in München nach dem Spitzentreffen von CDU und CSU in der CSU-Parteizentrale eine Pressekonferenz.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Horst Seehofer geben am 6. Februar 2017 in München nach dem Spitzentreffen von CDU und CSU in der CSU-Parteizentrale eine Pressekonferenz.

Foto: dpa, tha jai

"Bei uns gibt es keine Inszenierung", sagt CSU-Chef Horst Seehofer, als er am Morgen auf dem Weg in seine neue Parteizentrale in einem Schwabinger Neubauviertel von den Medien abgefangen wird. "Keine Inszenierung" — Sätze wie diese an Orten wie diesen lassen unwillkürlich das Bild von dem Polizisten in den Kopf kommen, der "Hier gibt es nichts zu sehen" den Schaulustigen entgegenruft, während hinter ihm eine Feuerwerksfabrik explodiert.

Natürlich ist alles inszeniert an diesen beiden Februartagen in München. Die intensive Aussprache über die sechs "Deutschlandkongresse" von CDU und CSU im vergangenen Jahr, der verspätet begonnene Grillabend in der neuen Kantine "Löwe und Raute". Und natürlich die förmliche Versöhnung nach verletzendem Streit: Die Erklärung des CSU-Chefs, dass Merkel nach der Inthronisierung durch die CDU Anfang Dezember (und nach einem Vierteljahr des Zappelnlassens) nun auch die Kanzlerkandidatin der CSU sei.

Was ist mit der Obergrenze?

Die Motivationslage für das groß inszenierte Versöhnen erschließt sich nach dem Treffen noch weniger als vorher. Noch im Dezember hatte Seehofer seine Forderung nach einer Neujustierung der deutschen Flüchtlings- und Sicherheitspolitik erneuert, noch im Januar die Zusammenkunft in Frage gestellt, so lange es keine inhaltliche Übereinstimmung in diesen Fragen gebe.

Dass die Flüchtlingszahlen drastisch zurückgegangen waren und CDU wie CSU ein Wiederansteigen verhindern wollen, stand schon seit über einem Jahr fest. Dass die bayerische Polizei sich an den Grenzkontrollen der Bundespolizei beteiligt, ist seit Herbst Realität. Dass die Sicherheitsgesetze verschärft werden, ließ sich in beinahe regelmäßigen Abständen seit Anfang 2016 im Bundesgesetzblatt nachlesen. Einzig die CSU-Forderung nach einer Obergrenze trennte die Parteien. Und an diesem Unterschied bleiben sie. Was also hat den Wandel bei Seehofer bewirkt?

"Eine Vielzahl persönlicher Gespräche", erklärt der CSU-Chef. Und zwar seien es "offene, ehrliche, saubere" Gespräche gewesen. Und die hätten zu der Erkenntnis geführt, ein gemeinsames "Fundament" zu haben. Und dann kommt die versteckte Botschaft. Es handele sich ja bei solchen Dingen immer um einen "Prozess". Seehofer: "Das braucht Zeit." Das ist die eigentliche Erklärung. Monatelang hatte der CSU-Chef die Seinen gegen Merkel auf die Bäume gejagt, und jetzt kriegte er sie so schnell nicht wieder runter. Insgeheim teilte er wohl die Einschätzung von CDU-Wahlkämpfern, die ihre Niederlagen zu einem Teil auch dem andauernden Streit der Schwesterparteien anlasteten. So sieht es auch Merkel: "Gemeinsamkeit ist schon ein hohes Gut."

Seehofer brauchte Zeit

Aber übertreiben wollen sie damit nun auch wieder nicht. Der Streit um die Obergrenze wird nicht gelöst, nur eingefroren. Merkel hat "keinen Anlass", ihre Position zu ändern. Seehofer definiert die Obergrenze als eine "Forderung aus der Vergangenheit", die "weiter verfolgt" werde. Aber mit einem Ausstieg aus einer Koalition, die ohne Obergrenze regieren will, mag er nun nicht erneut drohen. Das gehört nun zu den Dingen, die dem "obersten Ziel" untergeordnet werden: CDU und CSU wollen jetzt erst einmal vor allem die Wahlen gewinnen und Rot-Rot-Grün verhindern. Und das gelinge eindeutig besser, wenn sie am 24. September näher als 40 als näher an 30 Prozent abschneiden, erläutert Seehofer.

Die Zahlen haben an diesem Tag besonderes Gewicht, nachdem Insa erstmals die SPD bei 31 und die CDU nur noch bei 30 sieht. Nach Kräften bemühen sich die Präsiden der beiden Parteien, den Eindruck von Nervosität angesichts des ungeahnt einschlagenden "Schulz-Effektes" zu vermeiden. Die SPD sei "von der Agonie in die Euphorie" getaumelt, lautet die Bewertung des hessischen Regierungschefs Volker Bouffier. Das sei beides nicht gut. Und Seehofer erinnert an eigene Erlebnisse, als er Monate vor den Wahlen seinem SPD-Herausforderer Christian Ude in Bayern laut Umfragen eindeutig unterlegen sei - und dann doch haushoch gewann. Es würden "noch viele Umfragen kommen bis zum 24. September", sagt er voraus.

"Das wird der schwerste Wahlkampf"

Doch er verweist auch auf die Einschätzung, die Merkel schon im Herbst getätigt habe: Dass dieser Wahlkampf der schwerste werde, den sie je erlebt habe. "Auch hier hat sie wieder Recht behalten", meint Seehofer. Und er macht die Vorhersage, dass es mit voraussichtlich sieben Parteien im nächsten Bundestag auch nach den Wahlen nicht einfacher werde.

An dieser Stelle lohnt ein weiteres genaueres Hinhören. Noch bei den Klausuren im Januar im Kloster Seeon gab es Klatschmarsch für jeden CSU-Politiker, der eine Koalition mit den Grünen kategorisch ausschloss. Jetzt trommeln zwar immer noch einzelne Präsidiumsmitglieder gegen die schwarz-grüne Option. Doch Seehofer hat auch hier seine Sprache verändert. Er verweist jetzt eher auf die Beschlüsse der Grünen, mit denen die Partei für eine Koalition nicht in Frage komme. Doch bei den Sondierungen 2013 gehörte er zu den Treibern eines Verhandlungsversuches mit den Grünen. Damals wagten die Grünen den Sprung in diese Koalition nicht.

Grün-Schwarz - unter der Hand eine Option?

Bouffier, Chef eines schwarz-grünen Bündnisses in Hessen, macht aus seinen Empfehlungen für die gemeinsame Präsidiumssitzung kein Hehl. Zuerst wiegelt er ab und verweist darauf, dass es um Koalitionen nur im Lichte der konkreten Wahlergebnisse gehen könne. Dann aber fügt er hinzu: "Wir haben in Hessen in einem Beispiel gezeigt, wie es gehen kann." Und auch Seehofer will auf die konkrete Nachfrage, ob Schwarz-Grün für ihn auf keinen Fall in Frage komme, auch nur noch sagen, es gehe in erster Linie darum Rot-Rot-Grün zu verhindern. Ende der Durchsage. Am Vorabend muss auf seinem Grillwürstchen statt Senf viel Kreide gewesen sein.

Dass hier weiterhin völlig unterschiedliche Charaktere und Temperamente den Schulterschluss versuchen, wird aus den Reaktionen auf die Frage deutlich, ob Merkel und Seehofer denn nun auch zusammen Wahlkampfauftritte machen wollten. Noch im November hatte Seehofer Merkel nicht einmal beim CSU-Parteitag dabei haben wollen und war auch dem CDU-Parteitag fern geblieben. Vorsichtig formuliert es Merkel: Über die Formate habe man noch nicht gesprochen, aber "ich schließe das nicht aus", sagt sie und schaut Seehofer an. Der haut ein ganz andere Intonierung raus. Gemeinsame Auftritte? "Ich möchte das ausdrücklich annehmen", sagt er, und lacht herzhaft. Merkel lächelt. Das zeigt auch, für wen der Weg nach so vielen persönlichen Verletzungen zurück in ein Team noch weiter ist als für den anderen.

(may-)
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