„Bundesregierung kürzt uns die Mittel weg“ Große Kritik an geplanten Kürzungen bei Freiwilligendiensten

Exklusiv | Berlin · Die Ampel-Regierung muss Geld sparen und möchte daher auch bei der Finanzierung von Freiwilligendiensten sparen. Organisationen bedauern das und sprechen von einem falschen Signal. Regelrecht empört zeigen sich die Jugendorganisationen von SPD und Grünen.

Juso-Vorsitzende Rosenthal zu geplanten Kürzungen: „Das ist unbegreiflich“

Juso-Vorsitzende Rosenthal zu geplanten Kürzungen: „Das ist unbegreiflich“

Foto: dpa/Patrick Pleul

Im Koalitionsvertrag sprachen SPD, Grüne und FDP noch von einem Ausbau der Freiwilligendienste. Doch knapp zwei Jahre später ist von dieser Ankündigung offensichtlich nicht viel übrig geblieben. Um die Sparziele im Haushalt zu erreichen, plant die Koalition für den Bundesfreiwilligendienst und das Freiwillige Soziale Jahr mit massiven Kürzungen.

Ein Etat-Entwurf des Bundesfamilienministeriums sieht in diesen Bereichen Einsparungen in Höhe von 113 Millionen Euro für die kommenden beiden Jahre vor. Damit würde die Höhe der Mittel um mehr als ein Drittel sinken. Jungpolitiker und Organisationen, die Freiwilligendienste anbieten, laufen nun Sturm gegen die Pläne der Regierung.

Aus Sicht von Jessica Rosenthal, Bundesvorsitzende der Jusos, ließen die drohenden Kürzungen bei Kindern und Jugendlichen politischen Weitblick missen. „Junge Menschen müssen sich Jahr für Jahr unsinnige Pflichtdienstdebatten anhören. Doch statt die Freiwilligendienste zu stärken, sollen Mittel gestrichen werden“, sagte Rosenthal unserer Redaktion. Damit bleibe es jungen motivierten Menschen verwehrt, sich in den Dienst der Gesellschaft zu stellen, kritisierte sie. „Das ist unbegreiflich. Gut ausgebaute Freiwilligendienste sind ein wahrer Schatz für unsere Gesellschaft“, so Rosenthal weiter.

Ähnlich äußerte sich Sarah-Lee Heinrich, Bundessprecherin der Grünen Jugend. Die geplanten Kürzungen seien ein Schlag ins Gesicht für ihre Generation, erklärte sie. „Ständig müssen wir uns anhören, wir seien faul oder sollen ein Pflichtjahr absolvieren. Wenn wir uns dann bei Freiwilligendiensten engagieren, kürzt uns die Bundesregierung die Mittel weg“, kritisierte sie. Aus ihrer Sicht lasse „Christian Lindners Kürzungs-Kurs“ das Ehrenamt zusammenschrumpfen, außerdem beraube er viele junge Menschen um wichtige Erfahrungen. „Wir fordern, dass diese Kürzungen zurückgenommen werden“, sagte sie mit Blick auf den FDP-Vorsitzenden und Bundesfinanzminister.

Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) betonte derweil, dass Kürzungen bei den Freiwilligendiensten sowohl für das DRK selbst als auch für die Jugendlichen bitter wären. Nach eigenen Angaben beschäftigt man gerade 10.600 Menschen im Freiwilligen Sozialen Jahr und rund 3000 Personen im Bundesfreiwilligendienst. „Die vorgesehene Kürzung im Bundeshaushalt 2024 würde bedeuten, dass Träger und Einsatzstellen im DRK ihr Engagement zurückfahren müssten“, bestätigte Joß Steinke, Bereichsleiter Jugend und Wohlfahrtspflege. Dabei seien die Freiwilligendienste in den allermeisten Fällen eine Win-Win-Situation, betonte er. Sollte die Bundesregierung an dieser Stelle kürzen, „würde dies nicht nur das soziale Engagement schwächen, sondern der Zivilgesellschaft ein Stück Zukunft nehmen“, so Steinke weiter.

Auch der Freiwilligendienst Weltwärts verfolgt die aktuellen Entwicklungen nach eigener Aussage aufmerksam. Auf Nachfrage erklärte eine Sprecherin, dass das eigene Programm aktuell zwar nicht von Kürzungen betroffen sei. Zugleich stellte sie fest: „Angesichts der haushaltspolitischen Gesamtlage und den aktuellen Herausforderungen weltweit wird eine gute Mittelausstattung des Weltwärts-Programms in den kommenden Jahren nicht leicht zu erreichen sein.“ Dabei würden Freiwilligendienste den Zusammenhalt in der Gesellschaft stärken und den internationalen Austausch fördern. „Vor diesem Hintergrund wären Mittelkürzungen das falsche Signal“, sagte die Sprecherin.

Ob es tatsächlich zu den Kürzungen bei den Freiwilligendiensten kommen wird, ist allerdings noch unklar. Eine Petition, die sich für die Stärkung von Freiwilligendiensten einsetzt, hatte es zuletzt auf 100.000 Unterzeichner gebracht. Außerdem versicherten Vertreter verschiedener Fraktionen im Familien- und Jugendausschuss des Bundestags erst kürzlich, bis zu den abschließenden Haushaltsberatungen im November noch Änderungen erreichen zu wollen. Laut Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) seien die laufenden Freiwilligen-Programme zumindest bis in den nächsten Sommer hinein finanziell abgesichert.

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