CO2-Steit Diese Ziele hat das neue Klimakabinett

Berlin · Die Bundesregierung hat einen Kabinettsausschuss eingerichtet, um zu klären, welche Wirtschaftszweige wie viel Treibhausgasemissionen reduzieren müssen. Die Freitagsdemonstrationen der Schüler zeigen erste Wirkungen.

 Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) bei der Regierungsbefragung im Bundestag am Mittwoch.

Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) bei der Regierungsbefragung im Bundestag am Mittwoch.

Foto: dpa/Monika Skolimowska

Beim Klimaschutz kommt die Bundesregierung nicht voran. Sie steckt fest im Streit darüber, welche Wirtschaftssektoren wie und wie stark für Einsparungen bei den Treibhausgasemissionen sorgen müssen. Um den Streit zu schlichten, hat sie nun am Mittwoch ein neues Klimakabinett eingerichtet. Der Kabinettsausschuss unter Leitung von Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) soll bis Jahresende zu Lösungen kommen, die das gesamte Kabinett bisher nicht erzielen konnte. In dem Gremium sitzen neben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) auch Bauminister Horst Seehofer (CSU), Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), Agrarministerin Julia Klöckner (CDU), Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) sowie Regierungssprecher Steffen Seibert.

Welche Klimaschutzziele verfolgt die Regierung?

Im Pariser Klimaabkommen von 2016 hatte die Staatengemeinschaft beschlossen, die Erderwärmung auf höchstens zwei Grad zu begrenzen. Um den deutschen Anteil zu erfüllen, hat die Regierung sich selbst ehrgeizige Klimaziele vorgegeben: Bis 2020 sollte der CO2-Ausstoß um 40 Prozent gegenüber 1990, bis 2030 um 55 Prozent gesenkt werden. Das Klimaziel 2020 hat die Regierung schon aufgegeben, weil es nicht mehr erreichbar ist. Realistisch ist nur noch eine CO2-Reduktion zwischen 32 und maximal 35 Prozent. Das Klimakabinett soll jetzt sicherstellen, dass wenigstens das Ziel 2030 erfüllt wird.

Warum wird die Regierung jetzt aktiver in der Klimapolitik?

Das hat sicher auch mit den weltweiten Freitagsdemonstrationen der Schülerinnen und Schüler zu tun, an denen sich immer mehr Jugendliche und nun auch Eltern- und Umweltverbände beteiligen. Sie werfen der Regierung ebenso wie die Grünen Untätigkeit beim Klimaschutz vor. „Es gibt kein Diskussions-, sondern ein Umsetzungsdefizit beim Klimaschutz“, sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. „Die große Koalition hat viel Zeit tatenlos verstreichen zu lassen. Statt also weitere Gremien einzurichten, muss die Bundesregierung endlich verbindliche Maßnahmen beschließen, um ihre eigenen Klimaziele einzuhalten“, sagte er.

Was will Umweltministerin Schulze?

Sie hatte unlängst den Entwurf eines Klimaschutzgesetzes vorgelegt, in dem für alle Wirtschaftszweige eng gesteckte Einsparvorgaben beim CO2 vorgesehen sind. Daraufhin hagelte es Kritik aus der Union. Verkehrsminister Scheuer etwa warf der Ministerin „Öko-Planwirtschaft“ vor. Scheuer fürchtet, die Einsparvorgaben könnten die Preise für Treibstoffe erhöhen und die Probleme der Autoindustrie verschärfen.

Was sieht der Entwurf für das Klimagesetz im Detail vor?

Die zahlenmäßig größte Rolle bei der CO2-Reduktion spielt der Energiesektor. Hier hat sich die Kohlekommission auf einen Ausstiegsfahrplan verständigt. Schulzes Entwurf sieht vor, den Ausstoß des Energiesektors von 257 Millionen Tonnen CO2 im Jahr 2022 auf 175 Millionen Tonnen 2030 zu reduzieren. Industrie und Gebäudebereich sollen jeweils gut 40 Millionen Tonnen einsparen, die Landwirtschaft zehn Millionen Tonnen. Sorgenkind ist der Verkehrssektor: Er hat bislang noch keinen eigenen Beitrag zum Klimaschutz geleistet – vor allem weil sich Autos mit stärkeren Kfz-Motoren immer größerer Beliebtheit erfreuen.

Was soll im Verkehrssektor geschehen?

Der Verkehrssektor soll seine CO2-Emissionen laut Schulzes Gesetzentwurf bis 2030 um 50 Millionen auf 95 Millionen Tonnen reduzieren. Der Verkehrsminister mit Rücksicht auf Verbraucher und Autoindustrie aber vor drastischen Maßnahmen wie der Einführung eines CO2-Preises zurück, der Kraftstoffe verteuern würde. Scheuer setzt lieber auf wirkungsvolle Sofortmaßnahmen wie die Umrüstung von Diesel- auf Elektro- oder Hybridbusse im Nahverkehr. Die E-Busse sind für die meisten Kommunen aber viel zu teuer. „Ich will nicht zuerst über Verbote und Verteuerungen reden, sondern über Maßnahmen, die Mobilität bei weniger Emissionen ermöglichen und schnell Wirkung entfalten. Das können beispielsweise alternative Kraftstoffe sein – vor allem dort, wo eine Elektrifzierung nicht möglich ist“, sagte Scheuer. „Von der Industrie erwarte ich, dass sie bezahlbare E-Fahrzeuge auf den Markt bringt. Also neben kleinen, praktischen E-Autos auch klimafreundliche und preisgünstige E-Busse für die Kommunen.“ Eine von Scheuer eingesetzte, umstrittene Experten-Arbeitsgruppe soll bis Ende des Monats Vorschläge präsentieren. „Die Kanzlerin darf Scheuer seine Klimablockadepolitik nicht länger durchgehen lassen. Er muss den Weg für den Antriebswechsel frei machen“, forderte Hofreiter. „Realistisches Ziel ist, dass ab 2030 nur noch fossilfreie Neuwagen auf den Markt kommen. Außerdem muss Scheuer Bus und Bahn fitmachen für eine Verdoppelung der Fahrgäste bis 2030.“

Was ist im Gebäudebereich geplant?

Obwohl der Klimaschutzbeitrag auch bei den Immobilien bisher gering ist, sieht die Regierung weiterhin von einer steuerlichen Förderung der energetischen Gebäudesanierung ab. Finanzminister Scholz hat im Haushalt kein Geld vorgesehen für diesen „Gassenhauer“ (O-Ton Scholz) vorgesehen. Scharfe Kritik daran kam von der Klimaschutzbeauftragten der Union, Anja Weisgerber. „Die SPD muss auch bei der Aufstellung des Haushalts zeigen, dass sie es ernst meint mit dem Klimaschutz. Maßnahmen, die nachweislich ein großes Potenzial zur CO2-Reduktion im Gebäudebereich bieten, müssen endlich kommen. Wer A sagt, muss auch B sagen“, sagte Weisgerber.

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