Ceta-Urteil des Verfassungsgerichts Vorsicht, Herr Gabriel!
Meinung | Düsseldorf · Das Bundesverfassungsgericht duldet das umstrittene Freihandelsabkommen Ceta vorläufig. Ein Freispruch ist das nicht. Die Bundesregierung sollte rasch einige strittige Punkte nacharbeiten. Die Demokratiedefizite sind offensichtlich.
Wenige Minuten nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das umstrittene europäisch-kanadische Freihandelsabkommen Ceta vorläufig zu genehmigen, zeigte sich SPD-Chef und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel überzeugt, dass es die "guten Argumente" der Politik gewesen seien, die die Karlsruher Richter überzeugt hätten. Doch Vorsicht, Herr Gabriel! Lieber nicht zu früh freuen. Denn das Verfassungsgericht hat in seiner Begründung deutlich gemacht, dass es Defizite sieht. Und die endgültige Entscheidung steht ja noch aus. Ceta kann immer noch gestoppt werden.
Denn die Ceta-Kritiker haben in einigen Punkten ja durchaus den Finger in die vertraglichen Wunden gelegt. Wer entscheidet über mögliche Veränderungen des Abkommens? Die Politik sollte eigentlich inzwischen verstanden haben, dass eine breite, selbstbewusste und längst nicht nur im linken politischen Lager verhaftete Zivilgesellschaft keine internationalen Abkommen akzeptieren will, die unzureichend demokratisch legitimiert sind. Die Globalisierung bringt wirtschaftliche Vorteile für alle Beteiligten. Globalisierung ist ein Wohlstandstreiber. Aber sie muss — soweit dies möglich ist — transparent gestaltet werden und die Bevölkerung über wesentliche Veränderungen ihres alltäglichen Lebens mitentscheiden lassen.
Bis das Bundesverfassungsgericht endgültig über das Abkommen urteilt, sollte die Politik deshalb einen Weg finden, wie der Gemischte Ausschuss — das Steuerungsorgan aller künftigen Anpassungen des Abkommens — einen demokratischen Anker bekommt. Die Mitgliedsstaaten, die Vertreter der nationalen Parlamente, sind bisher in diesem zentralen Entscheidungsgremium nicht vorgesehen. Es kann aber nicht sein, dass etwa ein portugiesischer Vertreter der EU-Kommission irgendwann in dem Gremium Änderungen abnickt, die in Deutschland Bestandteil der Rechtsordnung werden und massive Auswirkungen etwa auf ökologische Standards oder den Verbraucherschutz haben.
Auch die Rahmenbedingungen für die umstrittenen Investitionsgerichte sollten nachgebessert werden. Diese Schiedsgerichte sind de facto keine öffentlichen Gerichte und verstoßen gegen das Neutralitätsgebot. Sie sollen investitionsfreundlich urteilen, das besagt ja schon der Name. Ob eine investitionsfreundliche Entscheidung aber zwingend immer auch eine Entscheidung für das Wohl der jeweiligen Bevölkerung ist, muss hinterfragt werden.
Ceta ist besser als TTIP. Zweifellos. Und Sigmar Gabriel hat natürlich auch recht, dass ein Freihandelsabkommen mit demokratisch verfassten Staaten wie Kanada (und eben mit den USA) besser ist, als wenn irgendwann Standards von Russen oder Chinesen gesetzt werden. Wenn aber die moralisch-ethische Überlegenheit dieses Abkommens eine zentrale Argumentation der Befürworter ist, dann sollte das Abkommen auch moralisch überlegen sein. Und demokratisch einwandfrei legitimiert.