Wie Angela Merkel den Krisen trotzt Frau Unkaputtbar

Man muss sich das einmal vor Augen führen: Da wird die Kanzlerin zur personifizierten Krise erklärt, die das Glück verlassen hat. Gauck-Pleite, Euro-Kehrtwenden, Präsidenten-Desaster. Und was macht Frau Merkel? Die Kanzlerin schaut auf die jüngsten Umfragen und lacht sich eins.

Parteispitzen feiern sich und Kandidat Gauck
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Der Ton in der Berichterstattung passte zu einer staatspolitischen Beerdigung. Zu Grabe getragen wurde da eine Kanzlerin. Angela Merkel habe auf einmal das Glück verlassen frotzelte der Spiegel, Oppositionspolitiker sahen das Ende der schwarz-gelben Koalition heraufdämmern. Das Urteil für Merkel: vernichtend.

Anlass dazu gab es in den vergangenen Tagen reichlich.

Die Gauck-Pleite FDP-Chef Philipp Rösler forderte die Kanzlerin zur Machtprobe in der Präsidentenfrage heraus. Merkel drohte mit dem Bruch. Und knickte am Ende ein, als sie den Eindruck gewann, wie ernst es die Liberalen im politischen Überlebenskampf meinten. Rösler kostete den Triumph in den Medien aus, die Opposition feierte das Ganze als Vorzeichen für das Ende von Schwarz-Gelb.

Die Kanzlermehrheit Bei der Abstimmung im Bundestag verfehlte Merkel deutlich die Kanzlermehrheit. Und das nur wenige Tage nach dem Eklat mit Rösler. Dass ihr nun so viele Abgeordnete die Gefolgschaft verweigerten, deuteten etliche Kommentatoren als Riss im Fundament ihrer Macht.

Die Euro-Krise Merkel hatte sich im Zusammenhang mit der Eurokrise bereits zielsicher den Titel der Meisterin der Kehrtwenden erarbeitet. Mitte dieser Woche war vom jüngsten Beispiel zu lesen: Merkel könne sich doch vorstellen, den deutschen Beitrag zum ständigen Rettungsfonds ESM aufzustocken. Das kategorische Nein aus Berlin löste sich angesichts des massiven Drucks der internationalen Partner vorsichtig in Luft auf.

Die Wulff-Krise Ihr Bundespräsident sei es doch gewesen, lamentierten Merkels Kritiker. Sie sei es doch gewesen, die Christian Wulff ins Amt gedrückt habe, nun sei sein Versagen auch ihre Niederlage. Mehrfach geriet Merkel in die Verlegenheit, zu oder gegen Wulff Stellung beziehen zu müssen.

Selbst Merkels größte Fans kamen nicht umhin einzuräumen: Politische Erfolge sehen anders aus.

Ende dieser Woche sind die Unkenrufe verhallen, als ob nie etwas gewesen wäre. Koalitionskrise? Untergang Europas? Mit Wulff in den Abgrund?

Von wegen.

Die Gauck-Pleite Die CDU hat den Mann, den Merkel verhindern wollte, längst ins Herz geschlossen. Die Freude über den neuen Würdenträger in spe färbt auch auf Merkel ab. Denn eigentlich ist Gauck ja doch ein Konservativer. Trotz der Unruhen in der Koalition bleibt Merkel Deutschlands beliebteste Politikerin: 62 Prozent äußerten sich zufrieden mit ihrer Arbeit. Die CDU-Chefin steht im Zenit ihrer Macht, die Union liegt in Umfragen wieder bei fast 40 Prozent.

Was als "Gauck-Pleite" begann, entwickelte sich somit zum "Kanzlerinnen-Coup": 81 Prozent der Befragten lobten ihr Nachgeben in der Frage des Bundespräsidentenkandidaten als vernünftig. Dass Merkel letztlich ihren Widerstand gegen Gauck aufgab — die Bürger rechnen es ihr hoch an. Die Deutschen nehmen Merkel nicht als eine Kanzlerin wahr, die sich am parteipolitischen Kleinkrieg beteiligt, den so viele in der Bevölkerung verachten. Stattdessen punktet Merkel mit ihrem präsidialen Regierungs-Stil. Die Kanzlerin steht über den Dingen. Und Kampfhahn Rösler? Bleibt in der Politiker-Tabelle das ungeliebte Schlusslicht.

Die Kanzlermehrheit Von der fehlenden Kanzlermehrheit spricht kaum noch jemand. Merkels Leute haben die Angelegenheit nach außen hin mit einem Schulterzucken abgetan. Tenor: Wir waren darauf nicht angewiesen.

Die Euro-Krise Merkel unternimmt schon seit Monaten eine Gratwanderung. Sie muss die Kritiker in den eigenen Reihen ruhig stellen und gegen weitere Hilfen eintreten, darf aber gleichzeitig die Krise nicht eskalieren lassen. Und das kostet. Merkel hat mit ihrer Taktik die EU-Partner auf einen Fiskalpakt nach dem Vorbild der deutschen Schuldenbremse verpflichtet. Am Freitag fuhr sie die Ernte ein. Fast alle EU-Länder unterzeichneten, vereinzelt ist sogar von einem Wendepunkt in der Eurokrise die Rede.

Wulff-Krise — Die Häme und Kritik der Öffentlichkeit konzentrierte sich auf Christian Wulff. Merkel hat klug gehandelt, indem sie ihren Präsidenten nie ohne Vorbehalte in Schutz nahm. Sie gab sich in ihren wenigen Stellungnahmen überzeugt, dass Wulff die erforderliche Offenheit und Transparenz an den Tag legen würde. Gleichzeitig wurde registriert, dass sie sich während ihrer ganzen Karriere nie mit Unternehmern oder medialen Lichtgestalten gemein gemacht hat. Die Botschaft: Merkel, die perfekte Präsidentin.

Als ob sie nicht dazugehört

Die Umfragen zeigen, wie gut es Merkel gelingt, sich als Kanzlerin über den Dingen darzustellen. Sicher, Gauck, die verfehlte Kanzlermehrheit bei der Griechenland-Abstimmung oder auch der Rüffel des Verfassungsgerichts bei den Euro-Bundestagsrechten haben Spuren hinterlassen. Jeder zweite Bürger stellt Schwarz-Gelb aktuell ein schlechtes Zeugnis aus. Doch Merkel schadet das nicht. Die Kanzlerin gehört nicht dazu.

Am Wochenende macht Merkel wieder Alltagspolitik als ob nie etwas gewesen wäre. Der Koalitionsausschuss wird sich am Sonntagabend wohl demonstrativ bemühen, ein Bild fleißiger und erfolgreicher Regierungsarbeit abzugeben. Die Kanzlerin wird vom Brüsseler EU-Gipfel berichten, daneben stehen Themen wie das Kooperationsverbot von Bund und Ländern bei der Hochschulförderung, das Wettbewerbsrecht bei Pressefusionen oder der "Warnschuss"-Arrest für jugendliche Straftäter auf dem Programm.

Auch die komplizierte Pflegereform könnte aufgerufen werden. Vielleicht hat die Runde der Partei- und Fraktionschefs mit ihren Generalsekretären sogar die ein oder andere Überraschung in petto, weil Schwarz-Gelb dringend etwas für das eigene Image tun muss.

mit Material von dpa

(rpo/dpa)
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