Frank-Walter Steinmeier im Interview "Frau Merkel muss auf die SPD zukommen"

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier spricht im Interview mit unserer Redaktion über den Fiskalpakt für Europa und die Wahl des russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Die nächsten Schritte für Griechenland
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Foto: dapd, Axel Schmidt

Schwarz-Gelb braucht Ihre Zustimmung zum Euro-Fiskalpakt im Bundestag. Was fordern Sie?

Steinmeier Es läuft nicht gut für Frau Merkel. Erst der Aufstand der FDP bei der Suche nach einem neuen Bundespräsidenten, dann die fehlende Kanzlermehrheit bei der Griechenland-Abstimmung, und nun ist entgegen ihrer eigenen Erwartung eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag für den Fiskalpakt notwendig. Ohne die SPD kann das Paket also nicht über die Bühne gehen. Deshalb wird Frau Merkel auf uns zukommen müssen.

Was wollen Sie inhaltlich erreichen?

Steinmeier Europa kommt nur aus der Krise, wenn wir Raum geben für Investitionen und Wachstum. Diese Seite fehlt im Fiskalpakt. Deshalb wird unsere Forderung sein, dass mit dem Fiskalpakt auch Initiativen zur Reduzierung von Jugendarbeitslosigkeit in den südlichen europäischen Ländern und wachstumsfördernde Maßnahmen auf den Weg kommen. Außerdem muss endlich der Streit über die Finanzmarkttransaktionssteuer innerhalb der Regierung beendet werden. Ohne ein gemeinsames Eintreten der Bundesregierung für eine Finanzmarkttransaktionssteuer kann ich mir kaum vorstellen, dass der Fiskalpakt die notwendige Zweidrittel-Mehrheit erhält.

Sie wollen Investitionen in den Krisenländern durch noch mehr neue Schulden?

Steinmeier Wir müssen nicht darüber belehrt werden, dass Haushaltsdisziplin in Europa notwendig ist und dass die Neuverschuldung reduziert werden muss. Es waren Merkel und Sarkozy, die die Finanzstabilität in Europa zu Fall gebracht haben. Sie haben sich von dem Vorschlag für automatische Sanktionen bei Verletzung der Haushaltsdisziplin verabschiedet. Der Fiskalpakt beschreibt eine notwendige Seite zukünftiger europäischer Politik. Denn Solidarität wird nur funktionieren, wenn im Gegenzug Haushaltsdisziplin seitens der Notlagen-Länder geübt wird und sich alle auf weniger Schulden verständigen. Das ist nur die eine Seite. Wir brauchen einen neuen intelligenten Ansatz für Wachstumsimpulse. Dafür müssen bestehende Rücklagen in der Strukturfondsförderung freigemacht und damit Ko-Finanzierungen für die notleidenden Länder erleichtert werden. Diese Mittel sollten kombiniert werden mit einer aufwachsenden Finanzmarktsteuer. Und die Potenziale der Europäischen Investitionsbank müssen genutzt werden.

Wladimir Putin ist erneut zum Präsidenten Russlands gewählt worden. War das eine demokratische Wahl?

Steinmeier Ganz sicher entsprechen der Verlauf und die Durchführung der Wahl nicht westeuropäischen Standards. Immerhin hat es erstmals eine relativ dichte Kontrolle mit Kameras in den Wahllokalen gegeben. Unregelmäßigkeiten hat es offenbar dennoch gegeben. Die Unzufriedenheit darüber wird sich in den kommenden Tagen sicher auf den Straßen Moskaus zeigen.

Was erwarten Sie von Putin?

Steinmeier Es wird ein Russland unter Putin nach Putin sein. Will sagen: Seine erneute Wahl bedeutet nicht, dass er seine erste Amtsperiode wiederholen kann. Eine erfolgreiche Präsidentschaft wird es nur geben, wenn er realisiert, dass sich Russland in den letzten zehn Jahren verändert hat, wenn er den gewachsenen Erwartungen einer Zivilgesellschaft an politischer Teilhabe und Rechtsstaatlichkeit gerecht wird. Wladimir Putin ist derjenige, auf den sich die Erwartungen der Menschen nach wirtschaftlicher Stabilität konzentrieren. Ausgestattet mit einem klaren Wählervotum hat er die Chance und Aufgabe, Russland auch politisch zu modernisieren.

(RP/csi/AC)
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