Nachfolger von Frank Bsirske Frank Werneke ist neuer Verdi-Chef

Leipzig · Nach 18 Jahren ist Frank Bsirske nicht mehr Chef der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft, kurz Verdi. Nun übernimmt der „andere Frank“, sein bisheriger Vize Frank Werneke. Der Neue gibt sich der Politik gegenüber kämpferisch.

 Frank Werneke jubelt nach seiner Wahl beim Verdi-Bundeskongress.

Frank Werneke jubelt nach seiner Wahl beim Verdi-Bundeskongress.

Foto: dpa/Sebastian Willnow

Zeitenwende bei Verdi: Frank Werneke ist in Leipzig zum Nachfolger des langjährigen Vorsitzenden Frank Bsirske gewählt worden. Die knapp 1000 Delegierten des Verdi-Bundeskongresses wählten Werneke mit einem überzeugenden Ergebnis von 92,7 Prozent der Stimmen. Bsirske stand 18 Jahre an der Spitze der Dienstleistungsgewerkschaft und trat mit 67 Jahren nicht erneut an. Der 52-jährige Werneke stellte sich in einer kämpferischen Rede vor. Er ist seit 17 Jahren stellvertretender Verdi-Chef und war bisher unter anderem für die Finanzen der 1,97 Millionen Mitglieder zählenden Gewerkschaft verantwortlich.

Werneke erinnerte daran, dass er seit seiner Zeit als Azubi gewerkschaftlich aktiv gewesen sei. „Ich bin stolz und mit Stolz Gewerkschafter, weil ich ganz persönlich erlebt und erfahren habe, dass durch gemeinsames Handeln, dass durch gemeinsame Kämpfe die Arroganz der Macht überwunden und gebrochen werden kann“, sagte er. Er sprach sich für einen aktiven Sozialstaat aus und kritisierte die Privatisierung in der Altenpflege. „Wir wollen Profitgier durch Gemeinwohl ersetzen“, versprach Werneke. „Deshalb wollen wir Reichtum endlich angemessen besteuern, um bessere Renten zu finanzieren und mehr Verteilungsgerechtigkeit durchzusetzen.“ Verdi solle aber auch klar gegen weiteren Rüstungswettlauf und für Toleranz eintreten. Zur neuen Vizechefin wurde mit 91,1 Prozent Christine Behle (51) gewählt. Im Vize-Amt bestätigt wurde Andrea Kocsic (54) mit 91,5 Prozent.

Bsirske war 2015 mit 88,5 Prozent noch einmal für vier Jahre im Amt bestätigt worden. Es war damals sein schlechtestes Ergebnis. Bereits damals hatte der Langzeitvorsitzende seinen Rückzug für dieses Jahr angekündigt. Nun sprach sich der Gewerkschaftsführer mit grünem Parteibuch noch einmal unter anderem für sozial gerechte Finanzierung nötiger Investitionen in Klimaschutz aus und schloss mit den Worten: „Das wollte ich sagen, und jetzt bin ich durch.“

Bsirske wurde bekannt als streitbarer Streikführer im öffentlichen Dienst, schreckte vor klassenkämpferischen Tönen nicht zurück und vertritt linke Positionen. Werneke ist öffentlich bisher wenig aufgefallen. Der Ostwestfale nimmt für sich in Anspruch, dass die Entfaltung öffentlicher Strahlkraft bisher auch nicht seine Aufgabe gewesen sei. Er ist bereits seit 1982 SPD-Mitglied. Inhaltlich war Werneke für den Medienbereich zuständig.

Aufgewachsen ist Werneke in der Kleinstadt Schloß Holte-Stukenbrock nahe Bielefeld. Er machte einen Realschulabschluss und begann 1983 eine Ausbildung als Druckvorlagenhersteller. 1993 wurde er Bundessekretär der damaligen IG Medien.

Der Neue an der Verdi-Spitze hat mehrere Herausforderungen vor der Brust. Da ist zunächst die Mitgliederentwicklung. Von den zur Gründung 2001 noch 2,81 Millionen Mitgliedern sind 1,97 Millionen übrig geblieben. 120.000 Menschen dürften dieses Jahr dazustoßen, aber mehr als 140.000 austreten. „Wir müssen auf der Eintrittsseite noch einen Schritt nach vorne machen“, sagt der neue Chef, der bereits die Mitgliederentwicklung in seinem Portfolio hatte.

Verdi kämpft aber auch mit schwierigen Bedingungen in den Branchen. Von den 129 Streiks im vergangenen Jahr führte Verdi viele, um Tarifflucht zu verhindern. Betriebsteile werden vielfach ausgegründet, der Organisationsgrad ist - wie etwa in der Altenpflege - oft gering. Werneke pocht wie Bsirske darauf, dass die Tarifbindung gestärkt wird: Der Staat solle Tarifverträge in Branchen mit unfairen Arbeitsbedingungen verstärkt allgemeinverbindlich erklären, wenn eine Gewerkschaft nur in einem Teil der Branche Tarifbedingungen durchsetzen kann.

Bsirske nahm für sich in Anspruch, die Forderungen nach einer Lohnuntergrenze zunächst im Gewerkschaftslager und dann gegenüber der Politik mit durchgesetzt zu haben. Der Mindestlohn beschäftigt Verdi in Leipzig wieder. Fast zwei Dutzend Anträge des Kongresses zielen darauf ab, ihn deutlich über die derzeit geltenden 9,19 Euro anzuheben, auf bis zu 18,50, wie ein Antrag aus Bayern es fordert. Die Forderung nach 12 Euro galt als wahrscheinlich.

Werneke stellte sich ebenfalls als politischer Kopf vor. Verdi, so sagte er, solle auch als Teil der Friedensbewegung gegen weiteren Rüstungswettlauf eintreten, für Toleranz und gegen Rechtsextreme. Auch wenn die Fußstapfen Bsirskes groß sind, spricht also manches für Kontinuität. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte zur Eröffnung des Kongresses am Sonntagabend gesagt: „Sogar die Briefe an den Vorsitzenden können wahrscheinlich weiterhin mit "Lieber Frank" beginnen. Wenn das keine Kontinuität ist.“

(hebu/dpa)
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