1000. Sitzung in Berlin Steinmeier nennt Bundesrat "Bollwerk der arbeitenden Demokratie"

Berlin · Der Bundespräsident würdigt das Gremium gebührend: 1000 Sitzungen - und doch steht der Bundesrat in der öffentlichen Wahrnehmung oft im Schatten des Bundestags. Dabei kann kein Bundesgesetz in Kraft treten, ohne durch den Bundesrat gegangen zu sein.

 Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (vorne) spricht anlässlich der 1000. Sitzung im Deutschen Bundesrat. Hinter ihm sitzt Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt und amtierender Bundesratspräsident.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (vorne) spricht anlässlich der 1000. Sitzung im Deutschen Bundesrat. Hinter ihm sitzt Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt und amtierender Bundesratspräsident.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Egal, ob es um Grundgesetzänderungen, ethische und gesellschaftliche Fragen oder Bereiche wie Infektionsschutz-, Pflege- oder Migrationspolitik geht - der Bundesrat muss darüber abstimmen. Am Freitag kam die Länderkammer zu ihrer 1000. Sitzung zusammen. Neben ihrem normalen Arbeitsprogramm hatte sie sich einen prominenten Gastredner eingeladen: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier lobte die Arbeit der Länderkammer und rief zugleich zur Einigkeit bei der Bewältigung der Corona-Krise auf.

Seine eindringlichen Worte: "So gern die Vielfalt in den Regionen gelebt wird, so sehr erwarten die Menschen Einigkeit im Umgang mit Krisen und Katastrophen." Und der Bundespräsident legte noch nach: "Wenn es ums Ganze geht, tritt die Demokratie dem Bürger nicht in seiner bayerischen, thüringischen oder Hamburger Prägung gegenüber." Entscheidend sei vielmehr das Vertrauen der Menschen in das gesamtstaatliche Handeln. Grundsätzlich würdigte Steinmeier aber die Arbeit des Bundesrats und bezeichnet ihn als "Bollwerk unserer arbeitenden Demokratie".

Anders als Bundestag und Landesparlamente steht der Bundesrat indes für große Kontinuität: Seit seiner ersten Sitzung am 7. September 1949 besteht dieses "Bollwerk" ohne Unterbrechung, daher werden die Sitzungen auch fortlaufend nummeriert. Im Bundestag wird hingegen wie in den Landesparlamenten nach jeder Wahl neu mit dem Zählen angefangen, da sie sich jeweils neu konstituieren.

Da die Ergebnisse von Landtagswahlen auch Auswirkungen auf den Bundesrat haben, spiegelt die Zusammensetzung die Veränderung der politischen Landschaft wider. Aktuell sind die 16 Bundesländer mit je nach Zählweise bis zu 15 verschiedenen Koalitionen vertreten, die Hälfte der Regierungen setzt sich aus drei Parteien zusammen.

Ein Blick zurück zeigt, dass es im Bundesrat früher übersichtlicher zuging: Die erste Große Koalition aus Union und SPD konnte Ende der 1960er-Jahre zumindest parteipolitisch gesehen noch auf Rückhalt aus dem Bundesrat zählen. Allenfalls unterschiedliche Ziele von Bund und Ländern führten damals zu Unstimmigkeiten. Dagegen agierte der Bundesrat in den 1990er- und 2000er-Jahren zeitweise mit jeweils anderen Vorzeichen als eine Art oppositionelles Bollwerk gegen Schwarz-Gelb und im Anschluss gegen Rot-Grün.

Für den wohl größten Eklat sorgte im März 2002 das rot-grüne Zuwanderungsgesetz. Der damalige Bundesratspräsident Klaus Wowereit wertete damals das uneinheitliche Votum des rot-schwarz regierten Brandenburg - nach wiederholter Nachfrage bei Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) - als Zustimmung des Landes. Am Ende verließen die CDU-geführten Länder unter Protest die Sitzung.

In der Regel wird Zwist im Bundesrat aber hinter den Kulissen ausgetragen. Verwehren die Länder die Zustimmung zu einem zuvor vom Bundestag beschlossenen Gesetz, rufen sie den Vermittlungsausschuss an. Wie Bundesregierung und Bundestag hat auch der Bundesrat das Recht, selbst Gesetze auf den Weg zu bringen. Ein Beispiel dafür war die Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben. Zwei Jahre dauerte es von der Initiative für die "Ehe für alle" bis zur Verabschiedung des Gesetzes im Jahr 2017.

Im föderalen System der Bundesrepublik fungiert der Bundesrat neben Bundestag und Gerichten auch als weiteres Korrektiv der Macht. Durch Widerstand aus den Ländern kann manches Vorhaben lange aufgeschoben werden: So hat es die Aufnahme von Algerien, Marokko und Tunesien in die Liste der sicheren Herkunftsstaaten bislang nicht durch den Bundesrat geschafft.

In diesem Superwahljahr werden die Karten wieder einmal neu gemischt. Nach sechs Landtagswahlen und der Bundestagswahl können die Machtverhältnisse bei aller Kontinuität des Bundesrats am Ende ganz anders aussehen. Steinmeier rief die Länder dazu auf, der Verantwortung gemeinsam gerecht zu werden, damit Föderalismus und Demokratie auch bei der 2000. und 3000. Plenarsitzung des Bundesrates gefeiert werden können.

(felt/kna)
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