NSA-Affäre Frank-Walter Steinmeier gerät in Bedrängnis

Berlin · In der Affäre um die umfangreichen Ausspähaktivitäten des US-Geheimdienstes NSA wächst der Druck auf den früheren Kanzleramtsminister und heutigen SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier.

 In der NSA-Affäre gerät Frank-Walter Steinmeier immer mehr unter Druck.

In der NSA-Affäre gerät Frank-Walter Steinmeier immer mehr unter Druck.

Foto: dpa, Georg Ismar

Die Regierungsparteien CDU/CSU und FDP sowie die Linkspartei warfen Steinmeier in seltener Eintracht vor, im August 2002 mit einer Vereinbarung zwischen der rot-grünen Bundesregierung und der US-Regierung die Grundlagen für die Bespitzelungen gelegt zu haben. Rot-Grün habe damals "alle Türen aufgemacht, durch die die NSA und private Konzerne die Daten aus Deutschland absaugen", sagte Linkspartei-Chefin Katja Kipping. SPD und Grüne wiesen die Vorwürfe mit scharfen Worten zurück. Eine Überwachung des Internets wie durch das NSA-Projekt "Prism" habe es 2002 noch nicht gegeben.

Im Raum steht der Vorwurf der Totalüberwachung der Bundesbürger durch die NSA. Der Geheimdienst sauge millionfach Daten ab, speichere sie und werte sie aus, so der Verdacht. Ob dies tatsächlich geschieht, ist allerdings noch immer ungeklärt. Fest steht nach den Enthüllungen des früheren US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden nur, dass die NSA mithilfe von Computerprogrammen wie "Prism" in der Lage ist, weltweit in nahezu jeden Computer hineinzuschauen, um etwa E-Mail-Kontakte zu kontrollieren. Wo, wie oft und wann die NSA das tut, ist offen — und bleibt es womöglich auch.

500 Millionen Datensätze an die NSA

Auch der Bundesnachrichtendienst (BND) soll die NSA-Programme nutzen, um im großen Umfang Daten abzuschöpfen. Monatlich soll er 500 Millionen Datensätze an die NSA übermittelt haben. Am Wochenende erklärte der BND, der Großteil dieser Daten werde nicht in Deutschland, sondern im Ausland gesammelt, etwa in Afghanistan, und dann weitergeleitet. Sollte das zutreffen, wäre der Vorwurf, die Geheimdienste würden die Grundrechte von Bundesbürgern millionenfach verletzen, nicht aufrechtzuerhalten. Allerdings ist offen, ob die NSA Deutsche bespitzelt.

Trotz aller Unklarheiten hat sich der Ton zwischen den Parteien verschärft. Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die für die Geheimdienstkoordination verantwortlich ist, ging diese Woche in die Offensive: Sie ließ Vize-Regierungssprecher Georg Streiter erklären, die Zusammenarbeit zwischen BND und NSA gehe auf einen Beschluss der rot-grünen Bundesregierung zurück. Steinmeier habe als Kanzleramtsminister am 28. April 2002 — sieben Monate nach dem verheerenden Terroranschlag in New York — ein "Memorandum of Agreement" mit den USA geschlossen. Das, sagte Streiter, sei "bis heute die Grundlage für die Zusammenarbeit zwischen BND und NSA".

Union, FDP und Linkspartei griffen Steinmeier daraufhin gestern massiv an. Steinmeier sei "der größte Heuchler in der ganzen Spionageaffäre", sagte Kipping. "Die SPD ist als unglaubwürdig entlarvt", so FDP-Chef Philipp Rösler. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe und die FDP forderten Steinmeier auf, sich den Fragen des Parlamentarischen Kontrollgremiums zu stellen. An der Kooperation selbst will die Union aber festhalten: "Die Zusammenarbeit bei der strategischen Auslandsaufklärung ist essenziell für die Terrorismusbekämpfung, vor allem in Gebieten wie Afghanistan", sagte Parlamentsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer.

Unterstützung für Steinmeier

Steinmeier selbst erklärte: "Was an Zusammenarbeit zur Aufklärung eines grauenhaften Verbrechens notwendig war, hat nichts zu tun mit der lückenlosen und flächendeckenden Abschöpfung von Daten unserer Bürger." "Die Vorwürfe gegen Frank-Walter Steinmeier sind absurd", sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel. Die Spähprogramme "Prism" und "Tempora" habe es zu Steinmeiers Amtszeit als Geheimdienstkoordinator gar nicht gegeben.

Auch Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sprang Steinmeier zur Seite. "Nach dem 11. September 2001 war die verstärkte Zusammenarbeit eine Selbstverständlichkeit, denn etliche Attentäter und Verdächtige kamen aus Deutschland", sagte Trittin. Die Bundesregierung verstricke sich in Widersprüche. "Entweder hat Kanzleramtsminister Pofalla das Parlamentarische Kontrollgremium falsch informiert. Oder die Behauptung ist falsch, das von Steinmeier unterzeichnete Abkommen erlaube die NSA-Ausspähung", sagte Trittin. Entweder habe die Bundesregierung wie behauptet von der NSA-Ausspähung einschließlich möglicher BND-Hilfe aus der Zeitung erfahren. "Oder die Kanzlerin musste — wenn ihre Verteidigungsversuche zuträfen — spätestens seit Regierungsübernahme 2005 von dem Abkommen mit den USA wissen", sagte Trittin.

(mar)
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