Fragen und Antworten Wie die Ampel den Bundestag auf Regelgröße schrumpfen will

Berlin · Die Ampel-Parteien wollen mit einer Wahlrechtsreform die Zahl der Bundestagsabgeordneten künftig wieder auf das eigentlich vorgesehene Maß beschränken. Die Eckpunkte liegen nun. Wir haben Fragen und Antworten zum Themenkomplex zusammengestellt.

 Blick in den leeren Plenarsaal im Bundestag (Symbolbild).

Blick in den leeren Plenarsaal im Bundestag (Symbolbild).

Foto: dpa/Michael Kappeler

Was ist das Problem?

Durch neue politische Akteure und Änderungen der Kräfteverhältnisse ist in den vergangenen Jahren die Situation entstanden, dass einige Parteien (bisher meistens CDU und CSU, zuletzt allerdings auch die SPD) deutlich mehr Direktmandate gewinnen, als ihnen nach dem Zweitstimmenanteil insgesamt zustehen würden. Diese sogenannten Überhangmandate führen in Verbindung mit deswegen zusätzlich anfallenden Ausgleichsmandaten für die anderen Parteien dazu, dass der Bundestag stark angewachsen ist. Derzeit zählt er 736 Parlamentarierinnen und Parlamentarier statt der regulär vorgesehenen 598 - mehr als je zuvor.

Was will die Ampel-Koalition dagegen tun?

Vorgesehen ist, dass die Sitzverteilung strikt nach den Zweitstimmenergebnissen zwischen den Parteien erfolgt, die mehr als fünf Prozent der Stimmen erhalten. Die Zahl der Mandate wäre damit auf 598 festgelegt. Erreicht künftig eine Partei in den weiterhin 299 Wahlkreisen mehr Direktmandate als ihr nach dieser Berechnung zustehen, sollen davon diejenigen mit dem niedrigsten Erststimmenanteil nicht mehr zugeteilt werden. Dies führt allerdings dazu, dass einige Wahlkreis-Siegerinnen und -Sieger nicht mehr ins Parlament einziehen. Überhang- und Ausgleichsmandate können bei diesem System nicht entstehen.

Sollen trotzdem alle Wahlkreise im Parlament vertreten sein?

Grundsätzlich ja, allerdings legen sich die Ampel-Parteien noch nicht auf ein Verfahren dafür fest. Erwogen wird, dass Wählerinnen und Wähler jeweils eine Zweitpräferenz für das Direktmandat angeben. Kommt der oder die Erstplatzierte nicht zum Zuge, würden dann die Zweitpräferenzen (oder Ersatzstimmen) auf die übrigen Bewerberinnen und Bewerber verteilt. Von diesen würde dann der oder die Kandidierende mit der höchsten Gesamtstimmenzahl ins Parlament einziehen, sofern dadurch nicht ein neuer Überhangfall entsteht. Es sollen aber auch noch weitere Modelle geprüft werden.

Was ist der Nachteil der Ampel-Vorschläge?

Kritisiert wird, dass eine Nichtberücksichtigung bestplatzierter Kandidatinnen oder Kandidaten in den Wahlkreisen gegen demokratische Grundsätze verstößt. Dafür würde dann die Sitzverteilung allerdings exakt den in den Zweitstimmen ausgedrückten Wählerwillen widerspiegeln. Weiterer Nachteil ist das komplizierte Verfahren zur Berücksichtigung aller Wahlkreise im Parlament. Zudem muss noch eine Lösung für die Grundmandate-Klausel gefunden werden, wonach eine Partei auch ins Parlament einzieht, wenn sie weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erhält, aber mindestens drei Direktmandate gewinnt - so wie aktuell die Linkspartei.

Gibt es Alternativvorschläge?

Die von der Vorgängerregierung beschlossene Wahlreform sah eine Verringerung der Zahl der Wahlkreise von 299 auf 280 vor. Allerdings hätte dies die Zahl der Überhang- und Ausgleichsmandate lediglich verringert, solche aber nicht ausgeschlossen. Daher war auch beschlossen worden, einige Überhangmandate nicht auszugleichen, die damit verbundene Verzerrung des Zweitstimmenergebnisses wurde in Kauf genommen.

Andere Vorschläge sahen eine stärkere Verringerung der Wahlkreiszahl vor, um Überhangmandate zu vermeiden. Nachteil wären vor allem in ländlichen Gebieten flächenmäßig sehr große Wahlkreise gewesen. Aus der Union wurden auch Rufe nach einem Grabenwahlrecht laut, bei dem je 299 Direkt- und Listenmandate völlig getrennt voneinander vergeben würden. Dabei würden die Stimmenanteile im Parlament allerdings noch stärker von den Zweitstimmenanteilen abweichen.

Wie ist das weitere Verfahren?

Auf Grundlage der nun vorliegenden Eckpunkte soll die für die Wahlrechtsreform eingesetzte Kommission bis Ende August einen Zwischenbericht vorlegen. Die genaue Ausgestaltung bleibt einem Gesetzgebungsverfahren vorbehalten, das nach der Sommerpause beginnen soll. In die weiteren Beratungen wollen die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP auch CDU/CSU und Linke einbinden. Sie zeigen sich dabei auch für Alternativvorschläge grundsätzlich gesprächsbereit.

(felt/AFP)
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