Druck auf Sarrazin erhöht sich Forderungen nach Parteiaustritt und Abberufung werden laut

Hamburg (RPO). SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles hat den Druck auf Bundesbank-Vorstandsmitglied Thilo Sarrazin erhöht, nach dessen jüngsten Äußerungen über Ausländer die SPD zu verlassen.

Thilo Sarrazin liebt klare Worte
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Foto: AP

"Sarrazin ist ein unterbeschäftigter Bundesbanker mit ausgeprägter Profilneurose - das allein wäre noch nicht bemerkenswert, aber er missbraucht den Namen der SPD", sagte Nahles dem "Hamburger Abendblatt".

"Wer einzelne Bevölkerungsgruppen pauschal verächtlich macht und gegeneinander aufbringt, treibt ein perfides, vergiftetes Spiel mit Ängsten und Vorurteilen und hat mit den Werten und Überzeugungen der SPD rein gar nichts mehr zu tun", legte Nahles dem früheren SPD-Finanzsenator in Berlin einen Parteiaustritt nahe.

Die Union legt dem SPD-Politiker den Rückzug aus dem Vorstand der Deutschen Bundesbank nahe. In einem Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" griff der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU), den Bundesbank-Vorstand scharf an: "Sarrazin legt einen neuen Aufguss seiner islamfeindlichen und menschenverachtenden Tiraden gegen muslimische Migranten vor. Ich frage mich, wie lange die Deutsche Bundesbank dem noch tatenlos zuschauen will."

Grüne und Linke fordern Abberufung Sarrazins

In der Debatte um die als fremdenfeindlich kritisierten Äußerungen des Bundesbank-Vorstands Thilo Sarrazin (SPD) fordern die Grünen neue Regeln zur Abberufung von Bundesbank-Vorständen. Die Fraktionsvorsitzende Renate Künast kündigte am Donnerstag in Berlin an, die Bundesregierung demnächst mit einem Antrag im Bundestag aufzufordern, ein entsprechendes Verfahren einzurichten.

Die Äußerungen Sarrazins widersprechen nach Künasts Ansicht dem Verhaltenskodex der Bundesbank. Danach dürfe ein Banker das Ansehen der Bundesbank und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Institution nicht beschädigen. Dies habe Sarrazin getan. Es gebe aber keine klare Regelung, um ihn seines Amtes zu entheben. "Ich glaube, dass man ein dreistufiges Verfahren finden muss. Beschluss der Vorstands der Bundesbank, Beschluss der Bundesregierung, Abberufung durch den Bundespräsident", sagte Künast.

Die Fraktionschefin betonte, die Grünen wollten sich nicht vor einer Integrationsdebatte drücken. Diese müsse aber mit Respekt und Würde geführt werden. "Insofern glaube ich, dass Thilo Sarrazin auf eine sehr perfide Art und Weise vielleicht den Umsatz seines Buches steigert aber er hat der Sache der Integration mehr als geschadet."

Auch die Linke forderte die Abberufung Sarrazins. Der Bundesbank-Vorstand müsse dies bei der Bundesregierung beantragen. "Ein Spitzenbeamter, der Menschen aufhetzt, ist nicht akzeptabel", sagte die Parteivorsitzende Gesine Lötzsch. Sollten die "Selbstreinigungskräfte" der Bundesbank nicht ausreichen, "dann müssen wir ernsthaft darüber nachdenken, ob die Unabhängigkeit der Bank wirklich so weit gehen kann, dass man an der Spitze ungestraft solche Thesen vertreten darf", sagte Lötzsch.

Vergleich mit Wilders

Der CDU-Außenpolitiker warf Sarrazin vor, durch rassistische Äußerungen Ressentiments gegen Migranten zu schüren. "Er macht nach, was der Rechtspopulist Geert Wilders in den Niederlanden vorgemacht hat", sagte Polenz. "Als Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank bekleidet Sarrazin ein hohes nationales Amt. Wenn ein solch wichtiger Funktionsträger derart mit Vorurteilen, Unterstellungen und bösartigen Verallgemeinerungen operiert, wird auch das Bild Deutschlands im Ausland eingetrübt", erklärte der Außenpolitiker.

Es stimme nachdenklich, dass NPD und DVU besonders laute Loblieder auf Sarrazin anstimmten. "In der Union hätte Sarrazin keinen Platz. Latenter Rassismus ist mit christlichen Wertvorstellungen unvereinbar."

Die Grünen fordern angesichts der umstrittenen Äußerungen Konsequenzen für die künftige Besetzung des Führungsgremiums der Notenbank. "Das Ernennungsverfahren für Bundesbank-Vorstände sollte reformiert werden", sagte der Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick dem Portal "Handelsblatt Online".

Frei werdende Vorstandsposten sollten ihm zufolge öffentlich ausgeschrieben werden. Dann solle die Bundesregierung eine Vorauswahl geeigneter Kandidaten treffen, wobei die Bundesbank das Recht zur Stellungnahme erhalten solle. Danach plädiert Schick für eine öffentliche Anhörung im Finanzausschuss des Deutschen Bundestags. Auf dessen Empfehlung solle schließlich der Bundestag das neue Mitglied des Vorstands mit einfacher Mehrheit wählen.

Ausschluss möglich?

Berlins SPD-Chef Michael Müller schließt derweil ein neues Parteiausschlussverfahren nicht aus. Im RBB-Inforadio verwies Müllerauf das Urteil der hauptstädtischen SPD-Schiedskommission vom März, wonach weiter geprüft werden müsse, wie sich Sarrazin in der Partei verhalte und eventuell weitere Thesen formuliere. Es werde jetzt "überprüft, ob es da vielleicht neue Anhaltspunkte gibt und man sich dann auch juristisch auf diesem Wege trennt", sagte der Parteichef.

Der frühere Berliner Finanzsenator hatte mit Interviewäußerungen und vorab veröffentlichten Passagen seines neuen Buches für Empörung gesorgt. Laut Sarrazin habe die muslimische Einwanderung nach Deutschland den Staat "sozial und auch finanziell wesentlich mehr gekostet, als sie uns wirtschaftlich gebracht haben".

(apn/AFP/ddp/das)
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