Pläne der Bundesregierung So soll das Flughafen-Chaos beseitigt werden

Analyse | Berlin · Im Kampf gegen das Chaos an den Flughäfen sollen es jetzt ausländische Kräfte richten. Allerdings gibt es große Zweifel, ob die Probleme in dieser Reisesaison noch behoben werden können. Frühestens im Winter, glauben die Piloten. Schuld an der Misere sei die Luftfahrtbranche, betont die Bundesregierung.

 Arbeitsminister Hubertus Heil, Verkehrsminister Volker Wissing und Innenministerin Nancy Faeser stellten Maßnahmen zur kurzfristigen Hilfe für die Flughäfen vor.

Arbeitsminister Hubertus Heil, Verkehrsminister Volker Wissing und Innenministerin Nancy Faeser stellten Maßnahmen zur kurzfristigen Hilfe für die Flughäfen vor.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Dass gleich drei Minister in Berlin kurz vor die Presse traten, zeigt die Dimension des Problems – und mit frustrierten Urlaubern ist aus Sicht der Politik sowieso nicht zu spaßen. Die Bundesregierung will das Chaos an den Flughäfen jetzt mit Hilfe von ausländischen Arbeitskräften lösen. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP), Arbeitsminister Hubertus Heil und Innenministerin Nancy Faeser (beide SPD) stellten dazu am Mittwoch ihre Pläne vor. Um zugleich mehrfach Klartext zu reden, wer verantwortlich ist für die große Misere, unter der viele Reisende derzeit leiden: die Luftfahrtunternehmen und die Airports.

Vor allem Arbeitsminister Heil nahm kein Blatt vor den Mund: „Wir haben in der Corona-Pandemie den Luftfahrtgesellschaften und den Airports in Deutschland mit massiven Wirtschaftshilfen unter die Arme gegriffen“, so der SPD-Politiker. Vor allem mit dem Instrument der Kurzarbeit sei der Sparte geholfen worden. „Gerade, um Fachkräfte an Bord zu halten, um nach der Pandemie oder in solchen Saisons wieder durchzustarten.“ Vielen anderen Branchen sei das gelungen. Im Luftfahrtbereich sei stattdessen Bodenpersonal entlassen worden, „zum Teil auch mit Abfindungen“, oder aber das Kurzarbeitergeld nicht aufgestockt worden. Menschen hätten sich daher umorientiert. „Zum Beispiel in die Paketbranche.“ Heil: „Es wäre Aufgabe der Unternehmen gewesen, dazu rechtzeitig Vorsorge zu treffen. Das ist nicht in ausreichendem Maße geschehen.“

Angesichts des massiven Personalmangels und der Zustände auf den Flughäfen war die Branche auf Verkehrsminister Wissing zugegangen und hatte um Hilfe gebeten. Man wolle ein „paar Tausend Arbeitskräfte aus dem Ausland holen“, hieß es. Konkret aus der Türkei. Laut Innenministerin Faeser handelt es sich dabei um Kräfte, die „wohl Erfahrung“ hätten. Derzeit würden sie in ihrem Heimatland nicht gebraucht. Heil ergänzte: „Wir holen die Arbeitskräfte nicht. Wir beschleunigen das Verfahren, wir erlauben zu arbeiten.“ Vorgegangen werden soll nun so: Die Menschen werden zeitlich befristet an den Flughäfen arbeiten dürfen, vor allem in der Gepäckabfertigung. „Jede Form von Sozialdumping und Ausbeutung muss ausgeschlossen sein“, so Heil. Die Firmen müssen demnach die Menschen direkt anstellen und nach Tarif bezahlen, um Lohndumping zu verhindern. Und sie „menschenwürdig“ unterbringen. Für die Klärung des Aufenthaltstitels ist das Innenministerium zuständig, das Auswärtige Amt soll dann schnell Einreisevisa erteilen. Heil wiederum sorgt für die notwendigen Voraussetzungen seitens der Bundesagentur für Arbeit. Deutschkenntnisse werden nicht überprüft. „Es ist keine dauerhafte Einwanderung nach Deutschland, deshalb wird es keine Sprachprüfung geben“, betonte Heil. Der ursprüngliche Wunsch der Unternehmen war es, Leiharbeit zuzulassen, das lehnten die Minister aber ab. Die Maßnahme sei auch befristet, damit die Probleme nicht länger „auf dem Rücken von Urlaubern ausgetragen“ würden. „Aber es ist keine Dauerlösung.“ Es bleibe die Aufgabe der Branche, dafür zu sorgen, attraktive Arbeitgeber zu sein.

Bleibt die Frage der Sicherheit, die auf Flughäfen eine besondere Rolle spielt. Faeser versicherte, dass die sogenannte „Zuverlässigkeitsprüfung“ durch die Länder nicht entfallen werde – sie kann allerdings mehrere Wochen dauern - und die Kräfte nicht in Sicherheitsbereichen eingesetzt würden. Die Personalnot betreffe auch nur zu einem kleinen Teil die Sicherheit, lange Warteschlangen gebe es beim Check-In und bei der Gepäckausgabe.

Ob die Probleme jetzt zügig beseitigt werden, daran glaubt eigentlich keiner, auch die Minister zeigten sich skeptisch. Zumal es sich nicht um ein rein deutsches Thema handelt. Auch an anderen europäischen Flughäfen gibt es laut Wissing Schwierigkeiten. „Es kommt jetzt darauf an, dass alle schnell arbeiten und handeln. Wie schnell das gelingt, liegt in den Händen der Unternehmen selbst“, sagte Heil.

Die Pilotenvereinigung Cockpit geht jedenfalls nicht von einem raschen Ende der Probleme aus. Vorstandsmitglied Matthias Baier sagte unserer Redaktion: „Wir rechnen frühestens im Winter mit einer Normalisierung der Situation.“ Die Unternehmen müssten jetzt ihrerseits Maßnahmen ergreifen, damit der Flugverkehr wieder reibungslos funktioniere. „Kurzfristig wird dies allerdings schwer möglich sein“, betonte Baier. Zugleich forderte er: „Die Branche hat an Attraktivität verloren. Die Arbeitsbedingungen müssen verbessert werden, um wieder ausreichend Personal gewinnen zu können.“ Linksfraktionschef Dietmar Bartsch erklärte, der Gipfel sei deutlich zu spät gekommen. Die getroffenen Maßnahmen würden erst zu den Sommerferien im kommenden Jahr greifen. Es zeige sich, „dass Verkehrsminister Wissing und andere offenkundig zu lange das Problem ignoriert haben“.

Unterdessen frodert die Union wegen der hohen Arbeitsbelastung an den Flughäfen einen Bonus für die Beschäftigten. Die tourismuspolitische Sprecherin der Unions-Fraktion, Anja Karliczek, sagte unserer Redaktion: „Konkret sollte die Bundesregierung diesen Mitarbeitern einen steuerfreien Bonus für geleistete Überstunden einräumen. Das wäre eine angemessene finanzielle Wertschätzung.“

Um das Chaos an den Flughäfen in der Hauptreisezeit nicht noch größer werden zu lassen, gehöre die Unterstützung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu. Gerade für die, „die aktuell bei der Gepäckabfertigung und der Gepäckkontrolle Enormes leisten und unter erheblichen Stress stehen“. Langfristig müsse es zudem mehr Flexibilität in der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse geben und „eine gezielte Werbekampagne für die Berufsausbildung in diesem Bereich, die ja systemrelevant sind“, ergänzte Karliczek.

(has)
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