Flüchtlinge in Deutschland Wer einwandern will, muss diese Ordnung akzeptieren

Meinung | Düsseldorf · Niemand weiß, wie viele Flüchtlinge in den kommenden Wochen noch in die Bundesrepublik einwandern. Die genaue Zahl ist auch nicht so wichtig. Wichtiger ist das Eingeständnis, dass selbst Deutschland an die Belastungsgrenze kommen kann und dass auch Flüchtlinge eine Bringschuld haben.

Die EU-Staaten und ihre Flüchtlingspolitik
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Foto: afp, ak/apr

Die Spekulationen über die Zahl der Flüchtlinge, die dieses Jahr zu uns kommen, sind irrelevant. Sie helfen nicht weiter. Am 31. Dezember werden wir es wissen. Viel wichtiger ist es, eine sachliche Debatte darüber zu führen, wann eine faktische Belastungsgrenze erreicht wäre. Und dass es diese Grenze in jedem Land der Welt gibt. Selbst im Organisations-Musterland Deutschland. De facto weiß doch heute keine Behörde in diesem Land, wie viele Flüchtlinge wirklich kommen. Was wir aber wissen, sind alarmierende Meldungen aus den Kommunen, die überfordert sind und deshalb zu Maßnahmen greifen müssen, die Wasser sind auf die Mühlen der Kritiker.

Eine ehrliche Analyse der Grenzen des Integrierbaren ist auch deshalb so wichtig, damit die Solidarität der Vielen bestehen und das Bollwerk der Demokraten gegen die fremdenfeindlichen Brandstifter stark bleibt. Man muss deshalb dem — übrigens von SPD und Grünen erfundenen — Bundespräsidenten Joachim Gauck und dem zuletzt unverhältnismäßig scharf kritisierten CDU-Innenminister de Maizière für ihre kritischen und mahnenden Worte danken. Diese hätten auch von der Kanzlerin kommen dürfen. Ihre humane Geste der Grenzöffnung widerspricht dem übrigens nicht. Die Welt muss wissen, wann selbst Deutschland es eben nicht mehr schafft.

Ursachen der großen Flucht
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Foto: ALESSANDRO BIANCHI

Und die Flüchtlinge müssen wissen, dass Integration auch eine Bringschuld ist. Wer nach Deutschland will, muss die Verfassung akzeptieren. Es ist deshalb mehr als eine boulevardeske Idee, den Flüchtlingen das Grundgesetz als Willkommensgeschenk in arabischer Sprache zu überreichen. Nur wenn wir unsere staatliche Identität, die im Wesentlichen auf unserer Verfassung beruht, offensiv verteidigen, sind wir integrationsfähig. Zu dieser Identität gehört — nur als Beispiele — die Gleichberechtigung von Mann und Frau, Toleranz gegenüber Homosexualität und das Recht auf freie Meinung, ja sogar auf Religionssatire. Das ist der Boden, auf dem Deutschland zum weltweiten Sehnsuchtsort für Verfolgte und Frustrierte gedeihen konnte. Diesen Boden werden wir verteidigen. Wer einwandern will, muss diese Ordnung akzeptieren. Ohne Abstriche. Das ist keine rechte Stimmungsmache, sondern eine Binse. Und es gehört zu dem positiven Grundton in der Flüchtlingsdebatte, der auch an dieser Stelle oft vertreten wurde, dazu.

Die Meldungen, wonach arabischstämmige Flüchtlinge Helferinnen und Mitarbeiterinnen der Behörden als Gesprächspartner ablehnen, mögen Einzelfälle sein. Dass ethnische Konflikte in Gewalt ausarten, mag auch den Bedingungen in den Unterkünften geschuldet sein. Tolerabel ist beides trotzdem nicht. Das Fingerspitzengefühl in den Behörden ist wichtig. Im Sauerland haben Kommunen einen Teilbereich einer Grundschule, der erst Ende des Jahres geschlossen werden sollte, kurzerhand zu einem Flüchtlingsheim umgewidmet. Eine Information an die Eltern gab es nicht. Das neue Enteignungsgesetz in Berlin soll notfalls auch für Privatwohnungen gelten dürfen, wenn diese zu einer leerstehenden Gewerbeimmobilie gehören. Man muss hier vorsichtig agieren. Das Grundrecht auf politisches Asyl, das zurecht unabänderlich ist, darf nicht dazu führen, dass das Recht auf Eigentum geschliffen wird.

Damit der jetzt schon historische Imperativ der Kanzlerin, "Wir schaffen das!", nicht als historischer Irrtum endet ist Besonnenheit das Maß der Dinge. Manch ein abgekämpfter Kommunalbeamter und ehrenamtlich Tätiger in den Unterkünften mag sich bereits denken: Wen meint die Kanzlerin eigentlich mit "wir"? Die Politik muss aufpassen, dass die Botschafter der Willkommenskultur nicht das Gefühl haben, sie würden die große Geste der Bundeskanzlerin am Ende alleine schultern. Wir schaffen das eben nur, wenn der kühle Verstand zum "weiten Herz" (Gauck) dazu kommt. Gleichberechtigt.

(brö)
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