Migrationsforscher Bauböck "In zehn Jahren wird man Kanzlerin Merkel dankbar sein"

Düsseldorf · Der österreichische Migrationsforscher Rainer Bauböck hat in einem Interview eine viel diskutierte These aufgestellt: In zehn Jahren werden die Bürger Kanzlerin Angela Merkel für ihre Flüchtlingspolitik dankbar sein, sagt er.

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Im Interview mit "Der Standard" zeigte sich Bauböck davon überzeugt, dass die derzeitig starke Einwanderung langfristig von Nutzen sein wird. "In zehn Jahren wird man einer Kanzlerin Merkel dankbar sein", sagt der Migrationsforscher, der am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz lehrt. Er fügt hinzu: "Nicht nur, weil sie humanitär richtig gehandelt hat, sondern auch, weil sie etwas getan hat, was zum Vorteil des Wirtschaftsstandorts Deutschland war."

Zwar räumt Bauböck ein, dass es in Deutschland "Konflikte" gebe. Doch Deutschland habe sich seit der Jahrtausendwende offiziell dazu bekannt, eine "Einwanderungsgesellschaft" zu sein. Dies habe sich auch im öffentlichen Bewusstsein niedergeschlagen, sagt Bauböck.

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Kurzfristig stünden die Sozialsysteme vor Herausforderungen, räumt der Wiener Forscher ein. Auch im Niedriglohnsektor könne es zu einem sogenannten Verdrängungswettbewerb zwischen schlecht qualifizierten Einheimischen und Einwanderern kommen. "Andererseits gibt es das Argument, dass der Sozialstaat Einwanderung braucht wie die Butter auf dem Brot", sagt Bauböck. Seiner Meinung nach könnten europäische Sozialstaaten langfristig ihr Überalterungsproblem nur vermindern, indem sie auf Einwanderung setzen.

"Allerdings ist Zuwanderung vor allem dann hilfreich gegen die Folgen der Überalterung, wenn sie stetig und kontrolliert erfolgt und wenn die Zielländer sich die Zuwanderer aussuchen können", sagt Bauböck in dem Interview. "Daraus resultiert die große Diskrepanz zwischen der aktuellen Krisensituation und dem langfristigen Nutzen, den Aufnahmeländer wie Deutschland haben werden", sagt Bauböck. Deshalb kommt er zu dem Fazit, dass es zwar derzeit viele Kritiker für Merkels Flüchtlingspolitik gibt, langfristig aber viele dankbar sein werden.

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Er selbst sei anfangs überrascht gewesen von der Haltung Merkels. "Im Nachhinein kann man diese sicher leicht erklären: Sie ist in einer Position der innenpolitischen Stärke und hat mit keiner starken rechtspopulistischen Opposition zu kämpfen", sagt Bauböck. Deutschland habe innerhalb Europas eine Führungsrolle inne. "Und Merkel ist die erste Kanzlerin, die versucht, diese Rolle auszufüllen", sagt Bauböck.

Angela Merkels Ausspruch "Wir schaffen das" steht seit Wochen sinnbildlich für ihre Flüchtlingspolitik. Nach dem Balkan-Gipfel am Sonntag sprach die Kanzlerin allerdings erstmals davon, "die Zahl der Flüchtlinge zu begrenzen."

Mit Material von KNA.

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(lsa)
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