Umfrage 60 Prozent der Deutschen für Obergrenze bei Asyl

Düsseldorf/Berlin · Die Deutschen stehen mit deutlicher Mehrheit hinter Angela Merkels Flüchtlingspolitik, wollen aber auch das Asylrecht durch eine Obergrenze einschränken. Das ergab eine Umfrage im Auftrag unserer Redaktion.

Flüchtlinge Obergrenze: 60 Prozent sind in Deutschland für eine Einschränkung
Foto: Radowski

Auf die Frage, ob sie hinter Angela Merkels Politik der überdurchschnittlichen Flüchtlingsaufnahme stehen oder hinter den schärfer gefassten Forderungen von CSU-Chef Horst Seehofer, entscheiden sich derzeit 56 Prozent der Deutschen für Merkel und 41 Prozent für Seehofer. Nur drei Prozent sind unentschieden oder machen keine Angaben. Dieses Bild ergibt sich aus der Umfrage unter 1013 Personen, die das Meinungsforschungsinstitut Mentefactum des langjährigen Emnid-Geschäftsführers Klaus-Peter Schöppner am vergangenen Freitag sowie am Montag und Dienstag dieser Woche im Auftrag unserer Redaktion befragt hat.

Die höchste Zustimmung erhält Merkel demnach mit 71 Prozent bei den Hausfrauen. Die Unionsanhänger votieren zu 52 Prozent für Merkel, die Anhänger der SPD zu 60 Prozent, die der Linken zu 67 Prozent und die der Grünen sogar zu 76 Prozent. Die FDP-Wähler sind gespalten: 50 Prozent stellen sich hinter Merkel, 47 Prozent hinter Seehofer. Eindeutig für Seehofer entscheiden sich die AfD-Wähler mit 84 Prozent; nur 16 Prozent von ihnen können sich mit der Kanzlerin identifizieren.

Unterschieden nach Bundesländern, findet Merkel die größte Unterstützung in Mecklenburg-Vorpommern (72 Prozent) und Schleswig-Holstein (70). NRW-Bürger liegen im Bundesschnitt von 56 Prozent. Seehofer punktet dagegen in Bremen (69 Prozent), Bayern (59) und Sachsen-Anhalt (56).

60 Prozent sprechen sich zugleich dafür aus, das Grundrecht auf Asyl durch eine Obergrenze an Flüchtlingen einzuschränken, 37 Prozent wenden sich dagegen. An dieser Stelle sind nur die Wähler von Grünen (67 Prozent) und Linken (63 Prozent) gegen eine Asyl-Einschränkung. Die meisten Befürworter finden sich bei den Anhängern deZFDP (89 Prozent), der AfD (79) und der Union (62). Auch 60 Prozent der SPD-Wähler wünschen sich eine Obergrenze. Unterteilt nach Bundesländern, gibt es die meisten Befürworter einer Einschränkung in Bremen (80 Prozent) sowie in Bayern, dem Saarland und Sachsen-Anhalt mit jeweils 70 Prozent. Einzig die Hamburger wollen mit 39 zu 58 Prozent keine Einschränkung. Nordrhein-Westfalen liegt mit 60 Prozent auch hier im Bundesdurchschnitt, Rheinland-Pfalz mit 55 Prozent darunter.

56 Prozent der Deutschen halten es für gerechtfertigt, wenn die Kommunen leerstehende Gebäude für Flüchtlinge beschlagnahmen, 43 Prozent lehnen das ab. Eine bundesweite Ausdehnung der CSU würden 20 Prozent nutzen, "sicher" oder "wahrscheinlich" Seehofers Partei zu wählen, 79 Prozent "wahrscheinlich nicht" oder "bestimmt nicht". In Nordrhein-Westfalen könnten sich elf Prozent für die CSU entscheiden.

Ursachen der großen Flucht
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Die aktuelle Umfrage ergab keinen nachhaltigen Trend zugunsten der gegen Merkels Flüchtlingspolitik besonders kritisch eingestellten AfD. Bundesweit kam diese bei der Frage nach den Wahlabsichten, wenn nächsten Sonntag bereits ein neuer Bundestag gewählt würde, lediglich auf drei Prozent. Die FDP erreichte bundesweit vier Prozent, lag jedoch in sieben Ländern oberhalb der Fünf-Prozent-Marke. Für die Grünen würden sich aktuell neun Prozent entscheiden, zehn Prozent für die Linken, 26 Prozent für die SPD und 42 Prozent für die Union. Unter den Unionswählern überwiegen mit 53 Prozent die Frauen. Unter den AfD-Wählern stellen die über 70-Jährigen mit 48 Prozent den größten Anteil.

Vermutlich sind im September mehr Flüchtlinge nach Deutschland eingereist als im gesamten letzten Jahr. Seit Monatsbeginn seien rund 280.000 Migranten nach Deutschland gekommen, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Als Reaktion griff Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) die Idee grenznaher "Transitzonen" auf, in denen im Schnellverfahren Einreisewillige registriert und bei absehbarer Chancenlosigkeit auf Flüchtlingsstatus umgehend zurückgeschickt werden könnten. Ein Gesetzentwurf sei bereits in Arbeit und werde in den nächsten Tagen in die Ressortabstimmung gehen.

In der Sitzung der Unionsfraktion kam es erneut zu einer stundenlangen emotionalen Debatte über die Flüchtlingsfrage. Etliche Abgeordnete beklagten im Beisein der Kanzlerin die katastrophale Lage. "Die Leute haben schlicht Angst", berichtete Fraktionsvize Michael Fuchs. Bei einigen Abgeordneten habe es "Tränen der Verzweiflung" gegeben.

(RP)
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