Bund und Länder verhandeln Diese fünf Fragen muss der Flüchtlingsgipfel beantworten

Berlin · Vertreter von Bund und Ländern kommen am Donnerstagnachmittag zum Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt zusammen. Sie müssen einen Weg finden, wie Deutschland künftig mit der steigenden Zahl von Flüchtlingen umgehen wird.

So verteilen sich Flüchtlinge auf Europa
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Foto: Köhlen, Stephan (TEPH)

Wie können die Asylverfahren endlich beschleunigt werden?

Auch NRW beklagt, dass das für die Durchführung der Asylverfahren zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) personell völlig unzureichend ausgestattet sei. Inzwischen stapeln sich dort an die 300.000 unerledigte Anträge — und es werden täglich mehr. Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer beträgt rund sechs bis sieben Monate. Als Obergrenze sind drei Monate unstrittig — aber derzeit völlig realitätsfern.

Welche Eingriffe sind hinsichtlich der Unterbringung von Asylbewerbern denkbar?

Turnhallen und Zelte sind keine Dauerlösung. Schon jetzt gibt es Fälle, in denen die Kommunen auf unbewohnte, zum Teil aber auch schon auf bewohnte Immobilien zurückgreifen. Könnte dies Gegenstand einer bundesgesetzlichen Regelung werden? Diese Frage muss geklärt werden.

Wie kann die Erstaufnahme genutzt werden, den Flüchtlingsstrom zu steuern?

Zunächst ist dringend erforderlich, den allergrößten Teil der Menschen so lange in der Erstaufnahme zu halten, bis entschieden ist, ob sie zu Recht in Deutschland als Bürgerkriegsflüchtlinge oder Asylberechtigte bleiben dürfen. Dazu ist eine Verlängerung der Dauer der Erstaufnahme notwendig — von derzeit drei auf sechs Monate. In dieser Zeit muss es möglich sein, die grundsätzliche Aufenthaltsberechtigung zu klären.

Für die Erstaufnahme sind die Länder zuständig, für das Asylverfahren der Bund. Allerdings muss der Bund die Länder bei der Erstaufnahme unterstützen. Die Bereitstellung von 40.000 Plätzen hat er schon zugesagt. Darauf aufbauend müssen die Länder die Kapazitäten der Erstaufnahme deutlich erweitern und dafür sorgen, dass die Asylbehörden schnell und effizient arbeiten können. Das bayerische Modell, unterschiedliche Erstaufnahmen für Menschen aus Krisengebieten und solchen aus ruhigeren Ländern einzurichten und so eine Vorauswahl zu treffen, ist zwar nicht unumstritten, könnte aber den mobilen Asylteams helfen, zu schnelleren Entscheidungen zu kommen. Möglich wäre auch eine Aufteilung der Beamten: Ein Teil könnte die Asylbewerber aus sicheren Ländern bewerten und die anderen würden sich um Flüchtlinge aus Bürgerkriegsgebieten kümmern.

Der Bund muss in jedem Fall das Personal im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge deutlich aufstocken. Dazu sollte er auf freiwilliger Basis auf pensionierte Beamten zurückgreifen, die sich in der Materie auskennen, und ihnen einen deutlichen finanziellen Anreiz bieten. Bislang dauert ein Asylverfahren in der Regel fünf Monate, manche ziehen sich auch über mehr als ein Jahr hin.

Das muss dringend reduziert werden, um keinen Anreiz zu schaffen, auch bei unberechtigten Asylbewerbungen möglichst lange im Land zu bleiben und einer Abschiebung auszuweichen. Als Zielwert ist eine Frist von drei Monaten sinnvoll. Wer kein Anrecht auf Asyl hat, muss schnell abgeschoben werden — auch unter dem Einsatz von Prämien. Die Länder müssen schleunigst ihre Bauvorschriften für Erstaufnahmelager erleichtern und die Ausschreibungsverfahren für den Bau der Unterkünfte verkürzen.

Wie werden die Länder und Kommunen vom Bund finanziell entlastet?

Die Länder sind für die Erstaufnahmeeinrichtungen zuständig, die Kommunen für die weitere Betreuung nach der Erstaufnahme der Asylbewerber, also für Unterkunft, Gesundheitsversorgung, Schulen und Jobvermittlung. Idealerweise werden künftig nur solche Menschen weiter in die Kommunen verteilt, bei denen bereits geklärt ist, dass sie eine Chance auf Anerkennung ihres Asylantrags haben. Sowohl die Erstaufnahme als auch die weitere Betreuung belastet die Haushalte von Ländern und Kommunen erheblich. Allein die Ausgaben der Kommunen für Asylbewerber sind in den ersten sechs Monaten 2015 laut dem Statistischen Bundesamt um 70 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 1,2 Milliarden Euro in die Höhe geschnellt.

Ab 2016 soll der Bund Länder und Kommunen dauerhaft und strukturell bei der Flüchtlingshilfe entlasten. Die Länder fordern mindestens eine Verdoppelung der bisher angebotenen Summe von jährlich drei Milliarden Euro. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will die Summe jedoch abhängig machen von der konkreten Aufteilung der zu erledigenden Aufgaben zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Im Gespräch für eine Fallpauschale ist eine Formel, mit der errechnet werden soll, wie viel der Bund jedes Jahr den Ländern überweist: Die Zahl der Asyl-Antragsteller multipliziert mit einem festzulegenden Geldbetrag multipliziert mit der durchschnittlichen Dauer der Asylverfahren. Je länger sie demnach dauern, desto mehr müsste der Bund den Ländern überweisen.

Die Kommunen befürchten, dass sie im Zuge der Finanzvereinbarung auf der Strecke bleiben könnten, da der Bund ihnen das Geld nicht direkt überweisen wird. Mit dem Argument, die Kosten der Erstaufnahme seien gestiegen, könnten die Länder eine zu große Summe für sich behalten, befürchten die kommunalen Spitzenverbände.

Wie können die Flüchtlinge rasch in den Arbeitsmarkt integriert werden?

Der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, wird gleichzeitig Leiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Nürnberg. Die Bundesregierung setzt darauf, dass Weise in diesem Doppeljob dafür sorgt, möglichst viele anerkannte Flüchtlinge rasch in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Dabei geht es zunächst vor allem um die Vermittlung der deutschen Sprache.

Die Zahl der Deutschkurse müssen deutlich ausgeweitet, die Wartezeiten darauf drastisch verringert werden. Job-Center sollen den Flüchtlingen mehr Weiterbildungsangebote machen können, dazu muss der Eingliederungstitel im Haushalt der Bundesagentur für Arbeit (BA) deutlich angehoben werden. Richtig wäre auch, die Deutschkurse und Integrationskurse, für die bisher das BAMF zuständig ist, an die BA und die Job-Center zu übertragen, damit diese Angebote aus einer Hand erfolgen.

Wer als junger Flüchtling eine Ausbildung beginnt, soll für die Dauer der Ausbildung einen Aufenthaltsstatus bekommen, auch wenn sein Asylverfahren nicht abgeschlossen ist. Die Vorrangprüfung der BA, wonach zunächst geprüft werden muss, ob ein Deutscher statt eines Flüchtlings eine angebotene Stelle ausüben könnte, sollte generell gestrichen werden. Flüchtlinge, die Anspruch auf Asyl haben, sollten zudem sofort arbeiten können. Bisher gilt hier noch eine Wartezeit von drei Monaten. Für Flüchtlinge in der Erstaufnahme sollte allerdings weiterhin ein Arbeitsverbot gelten.

(mar )
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