Flüchtlinge in Syrien Warum der Familiennachzug kompliziert ist

Düsseldorf · Viele Flüchtlinge sind in den vergangenen Jahren allein aus Syrien nach Deutschland gekommen. Ihre Familien haben sie zurückgelassen oder auf der Flucht verloren. Selbst wenn der Nachzug der Familie genehmigt wird, ist der Weg bis zum Wiedersehen beschwerlich.

Was man zur Zuwanderung wissen muss
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Foto: RP/Jürgen Laaser
  • Wann darf die Familie eines Flüchtlings nach Deutschland kommen?
  • Ist ein Flüchtling in Deutschland als schutzberechtigt anerkannt worden, kann er einen Antrag auf Familiennachzug stellen. Dieser muss spätestens drei Monate nach Erhalt des Aufenthaltsstatuses gestellt werden. Dann kann der Schutzberechtigte seine Familie nachziehen lassen, ohne über eigene finanzielle Mittel oder ausreichend Wohnraum zu verfügen. Diese Bedingungen müssen bei normalen Visa-Verfahren zum Zuzug erfüllt sein.
  • Wer gilt als Familie, die nachziehen darf?
  • Das Bundesministerium für Inneres gestattet den Nachzug der Kernfamilie. Das heißt, dass der Ehe- oder Lebenspartner und minderjährige, ledige Kinder ein Visum für Deutschland beantragen dürfen. Bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen dürfen die Eltern und minderjährige, ledige Geschwister nachziehen. In Ausnahmefällen dürfen zum Beispiel die Großeltern mit einreisen, wenn diese unbedingt auf die Pflege der Familie angewiesen sind, heißt es seitens des Auswärtigen Amtes. Dieses ist für die Erteilung der Visa zuständig.
  • Wie wird der Kontakt zu den Familien hergestellt?
  • Das Deutsche Rote Kreuz und in Syrien der Rote Halbmond sind für die Suche von Familienmitgliedern zuständig. Das Rote Kreuz übernimmt bereits bei Ankunft der Flüchtlinge in Deutschland die rechtliche Beratung über die Möglichkeit des Familiennachzugs. Sei der Kontakt zu der Familie verloren gegangen, werde das Rote Kreuz als Suchdienst tätig, sagt eine Sprecherin des DRK. Die internationale Suche des DRK wird zentral von Münche aus organisiert. Seien die Angehörigen gefunden, werde der Kontakt zu dem Flüchtling in Deutschland hergestellt, damit die nötigen rechtlichen Schritte für den Nachzug erfolgen können.
  • Welche rechtlichen Hürden gibt es?
  • Seit März werden Flüchtinge aus Syrien nicht mehr automatisch als Schutzberechtigte anerkannt, sondern erhalten häufig den Status des "subsidiär Schutzberechtigten". Das bedeutet, dass dem Flüchtling zwar zuerkannt wird, dass ihm in seiner Heimat ernsthafter Schaden droht, der Familiennachzug bis März 2018 allerdings nicht möglich ist. Diese Frist hat der Staat mit dem Asylpaket II eingeführt. Zahlreiche Syrer klagen gerade gegen diese Praxis, da umstritten ist, ob die Regelung mit Europa- und Verfassungsrecht vereinbar ist. Zuletzt folgte das Verwaltungsgericht Düsseldorf der Klage des 18-jährigen Mohamed M.. Ihm muss nun der volle Flüchtlingsstatus zuerkannt werden, der den Familiennachzug erlaubt.
  • Wo erhalten Familien ihr Visum?
  • Wer als Familienangehöriger eines Flüchtlings nach Deutschland kommen möchte, der muss bei einer deutschen Auslandsvertretung einen Antrag auf ein Visum stellen. Weil die Botschaft in Damaskus wegen des Bürgerkriegs in Syrien seit 2012 geschlossen ist, müssen Syrer die deutschen Auslandsvertretungen in der Türkei — Ismir, Istanbul oder Ankara —, in Kairo oder auch Beirut nutzen. Erschwert wird dies dadurch, dass die Türkei seit Januar 2016 für die Einreise von Syrern ebenfalls ein Visum fordert. Es dauert oft Wochen, bis dieses erteilt wird, was den Prozess des Nachzuges verzögert. Außerdem steigt die Zahl der Anträge bei den Auslandsvertretungen ständig. Wurden in Beirut Anfang 2012 noch 5000 Visa pro Jahr erteilt, sind des jetzt 30.000. Die Mitarbeiterzahl in den Vertertungen in der Türkei und in Beirut wird daher nach Angaben des Auswärtigen Amtes stetig aufgestockt. Es werde im Schichtdienst und am Wochenende gearbeitet. Dennoch könnten nicht alle Anträge binnen weniger Tage bearbeitet werden. Inwzischen unterstützt die Internationale Organisation für Migration das Auwärtige Amt und infomiert die Familien, die ein Visum beantragen wollen, direkt über die nötigen Schritte.
  • Was muss für ein Visum für Deutschland vorliegen?
  • Der Antragssteller muss wenigstens einmal persönlich bei einer Auslandsvertretung vorstellig werden, weil die Fingerabdrücke genommen werden müssen, sagt ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Dokumente könnten auch per Booten eingereicht werden. In der Regel müssen ein gültiger Reisepass und der Nachweis der Verwandtschaft vorliegen.
  • Allerdings seien genau die erforderlichen Dokumente oft das Problem. Damit jemand ein Visum bekommt, muss er nachweisen, dass es einen Familienangehörigen gibt, zu dem er zieht. Die Partnerschaft und das Familienverhältnis muss also belegt werden. Heirats- oder Geburtsurkunden haben viele Syrer im Krieg allerdings verloren oder gar nicht erst bekommen. Über ein Register in Damaskus könnten zwar viele Unterlagen besorgt werden, manchmal sei aber auch das nicht möglich. Dann müssten die Mitarbeiter der Botschaft schauen, ob sich aus den vorliegenden Papieren ein schlüssiges Bild für das Verwandtschaftsverhältnis ergibt, sagt der Sprecher des Auwärtigen Amtes.
  • Auf welchem Weg kommen die Familienmitglieder nach Deutschland?
  • Die Einreise müssen die Flüchtlinge selbst organisieren und finanzieren. Mit einem Visum dürfen die Personen uneingeschränkt über den Luft-, See- oder Landweg nach Deutschland einreisen. Von Hilfsorganisationen oder dem deutschen Staat organisierte Flüge nach Deutschland gibt es nicht. Die Hilfe von Organisationen wie Roter Halbmond/Rotes Kreuz oder Flüchtlingshilfen endet in der Regel mit der Beratung der Flüchtlinge in Deutschland und der Suche nach den Familien. Hin und wieder werden Familien auch finanziell unterstützt.
(rent)
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