Rhetorik in der Flüchtlingskrise Man kann auch lächelnd Regeln einfordern

Meinung | Düsseldorf · In der Flüchtlingskrise greifen einige Politiker verbal daneben – etwa CSU-Chef Horst Seehofer. Auch Sigmar Gabriel legte just einen parteipolitischen Gassenhauer hin. Wie wäre es aber mal mit Konstruktivität?

 Horst Seehofer, Chef der CSU, verhöhnte Hunderttausende Flüchtlinge.

Horst Seehofer, Chef der CSU, verhöhnte Hunderttausende Flüchtlinge.

Foto: afp, CS-IW

In der Flüchtlingskrise greifen einige Politiker verbal daneben — etwa CSU-Chef Horst Seehofer. Auch Sigmar Gabriel legte just einen parteipolitischen Gassenhauer hin. Wie wäre es aber mal mit Konstruktivität?

Deutschland steckt mitten in der größten gesellschaftlichen Herausforderung der vergangenen Jahrzehnte — und was machen Politiker? Sie bedienen mit Rambo-Rhetorik fremdenfeindliche Ressentiments oder missbrauchen die Krise für Partei-Interessen.

Die Aussage von CSU-Chef Horst Seehofer, sein Alleingang sei "Notwehr", verhöhnt Hunderttausende Flüchtlinge, die eine lebensgefährliche Odyssee hinter sich gebracht haben, teilweise Terror und Krieg erleben mussten. Seehofer tut so, als seien die Flüchtlinge eine Bande Krimineller, gegen die man militärische Maßnahmen ergreifen müsste. Damit stärkt der CSU-Chef genau die rechten Truppen, die am wenigsten zur Krisenbewältigung beizutragen haben.

Und er untergräbt seine durchaus richtige Position, dass die Krise besser organisiert werden muss. Etwa, indem spezielle Transitzonen für chancenlose Asylbewerber an den Grenzen eingeführt werden. Etwa, dass die Rückführung schneller werden muss. Nach einer Statistik des Innenministeriums leben zwei Drittel der Flüchtlinge, deren Asylbegehren abgelehnt wurde, auch zwei Jahre danach noch als Geduldete hier. Zweifelhafte Krankmeldungen, Familienangehörige, die zum Zeitpunkt der Abholung plötzlich unauffindbar sind, und andere Tricks. Einige Bundesländer versuchen es sogar noch mit einer "freiwilligen" Rückreise. Warum sollte das ein Flüchtling tun? Hier muss nachgearbeitet werden.

Inzwischen hat auch der SPD-Chef seine staatspolitische Verantwortung an der Garderobe der Parteizentrale abgegeben. Am Sonntag legte Sigmar Gabriel bei einer Veranstaltung in Mainz den parteipolitischen Gassenhauer "Mehr Geld für den Staat" auf und begründete dies mit der Flüchtlingskrise. Wie wär's, wenn der Staat zunächst mal seine Steuermehreinnahmen nutzt und angesichts der Jahrhundertkrise finanzielle Prioritäten setzt?

Eigentlich sind sich alle Experten auch bei den kritischen Themen einig. Natürlich muss der Staat eingreifen, wenn Gewalt, Schlägereien, Übergriffe auf Frauen und religiös motivierte Respektlosigkeiten in den Flüchtlingsheimen vorkommen. Auch am Wochenende gab es wieder Massenschlägereien. Asyl lässt sich aber nicht mit der Faust erzwingen. Auch ist Rechtsstaatstreue unverhandelbar.

All diese Klarheiten und Wahrheiten lassen sich aber auch kommunizieren, ohne dass der optimistische und solidarische Grundton gegenüber den Flüchtlingen verlorengeht. Man kann auch lächelnd Regeln einfordern. Zwischen Willkommenseuphorie und abendländischer Untergangsstimmung gibt es auch noch etwas. Konstruktivität zum Beispiel.

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(brö)
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