Betreuungsgeld wird zum Sprengsatz FDP wirft Seehofer "Erpressung" vor

Hamburg/Berlin · Der Streit um das Betreuungsgeld kocht wieder hoch. Eine FDP-Spitzenpolitikerin wirft CSU-Chef Horst Seehofer und der CSU Erpressung vor. Er hatte erneut mit dem Bruch der Koalition gedroht. Das Thema könnte die Koalition zerreißen.

Juni 2012: Eklat - Bundestag bricht Sitzung ab
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Die Hamburger FDP-Landesvorsitzende, die Bundestagsabgeordnete Sylvia Canel, übte am CSU-Chef scharfe Kritik und warf ihm Erpressung vor. "Ich finde die Art, wie Horst Seehofer die Koalition zu erpressen versucht, unerträglich", sagte sie der Tageszeitung "Die Welt" (Montag).

Wenn Seehofer diese Leistung einführen möchte, "dann soll er das in Bayern tun, so wie es Thüringen auch gemacht hat". Jedes Bundesland könne schon jetzt für sich entscheiden, ob es ein Betreuungsgeld einführen möchte, sagte die FDP-Politikerin. Seehofer hat mit dem Bruch der schwarz-gelben Bundesregierung gedroht, falls das Betreuungsgeld nicht eingeführt werden sollte.

Die Auseinandersetzung ist nur der jüngste Beleg dafür, wie tief der Ärger zwischen Liberalen und Union reicht. Nach der missratenen Einbringung in den Bundestag entwickelt sich das Thema zusehends zum Sprengsatz. CSU-Chef Horst Seehofer drohte am Wochenende offen mit dem Bruch der Koalition, sollte das Projekt nicht verwirklicht werden. Und ergänzte: "Und die Stimmen der CSU sind in dieser Koalition notwendig."

Wieder reiben sich CSU und Liberale

Zuvor hatte Rösler dafür plädiert, die durch die Panne bei der Einbringung in den Bundestag erzwungene Pause für Änderungen zu nutzen. In der "Bild am Sonntag" fordert er unter anderem, ein Nebeneinander von Betreuungsgeld und Elterngeld zu vermeiden.

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt erklärte in der "Welt am Sonntag", Röslers Verhalten löse Befremden aus. Er wünsche sich mehr Geradlinigkeit und Vertragstreue beim Koalitionspartner. FDP-Generalsekretär Patrick Döring konterte in der "Welt" vom Montag, Dobrindt habe ein seltsames Politikverständnis.

Auch das Familienministerium von Kristina Schröder (CDU), die zu den Verfechtern des Betreuungsgeldes zählt, und das Justizministerium von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) gerieten aneinander. Zuerst teilte das Familienministerium mit, das von Rösler kritisierte Nebeneinander von Betreuungsgeld und Elterngeld sei doch vom Bundesjustizministerium gewünscht.

Linder reitet scharfe Attacken

Dem widersprach der Sprecher von Leutheusser-Schnarrenberger: Sein Ministerium sei nicht für die Inhalte des Gesetzentwurfes zuständig. In der ursprünglichen Fassung habe das Familienministerium die parallele Zahlung von Betreuungsgeld und Elterngeld gewollt. Das Bundesjustizministerium habe lediglich darauf hingewiesen, dass dies anders begründet werden müsse.

Der FDP-Landeschef in NRW Lindner ging den bayerischen Koalitionspartner direkt an: "Die CSU zwingt die Koalition nun dazu, mit dem Geld, das wir nicht haben, eine Sozialleistung einzuführen, die niemand will", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Wichtiger als die mit der Union vereinbarte Einführung des Betreuungsgeldes sei der Finanzierungsvorbehalt.

Eine große Mehrheit ist dagegen

Wenn das Betreuungsgeld den von der FDP 2014 angestrebten Haushaltsausgleich verzögere, werde er nicht dafür stimmen. Umfragen haben in der vergangenen Woche belegt, dass eine große Mehrheit der Bevölkerung gegen die Einführung eines Betreuungsgeldes ist. Vor allem wird befürchtet, dass das Geld beim Ausbau der Krippenplätze fehlen wird.

SPD und Grüne warfen der CSU vor, als einzige Bundestagspartei das Betreuungsgeld gegen den Willen einer großen Mehrheit durchdrücken zu wollen. "Der bayerische Löwe brüllt, weil ihm die Felle davonschwimmen", erklärte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann. Er forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, den Gesetzentwurf zum Betreuungsgeld zurückzuziehen, um einen unbelasteten Neuanfang zur Debatte um Kinderbetreuung zu ermöglichen. Sein grüner Kollege Volker Beck warf Seehofer Erpressung vor. Die Drohung mit dem Koalitionsbruch zeige, dass die CSU keine vernünftigen Argumente für das Betreuungsgeld habe.

Farce im Bundestag

Die vergangenen Freitag geplante Einbringung des Gesetzentwurfes zum Betreuungsgeld war gescheitert, weil kurz zuvor weit mehr als die Hälfte der Abgeordneten an einer Abstimmung nicht teilnahm. Daraufhin wurde die Sitzung wegen Beschlussunfähigkeit abgebrochen. Die Opposition war absichtlich ferngeblieben, doch auch die Koalition brachte ihre Mehrheit nicht zustande.

Damit scheiterte der Plan von Union und FDP, das Vorhaben noch vor der Sommerpause durch den Bundestag zu bringen und eine kontroverse Debatte in den eigenen Reihen zu beenden.

Das Betreuungsgeld soll ab 2013 an Eltern gezahlt werden, die für ihre Kinder kein staatlich gefördertes Betreuungsangebot und eine öffentlich bezuschusste Tagesmutter in Anspruch nehmen. Kritiker halten es mit Blick auf die überschuldeten öffentlichen Kassen für überflüssig und beklagen, es halte Mütter vom Arbeitsleben fern.

(dpa/REU)
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