Streit um Fahrverbote FDP verlangt Diesel-Garantie

Berlin · Parteichef Christian Lindner schlägt in einem Papier „zur Sicherung der Mobilitäts- und Eigentumsrechte“ einen Entschädigungsfonds für Diesel-Fahrer vor. Er hält die Quasi-Enteignung von Besitzern älterer Diesel-Autos für nicht akzeptabel.

 FDP-Chef Christian Lindner will den Umgang der Bundesregierung mit den Diesel-Fahrern nicht mehr akzeptieren.

FDP-Chef Christian Lindner will den Umgang der Bundesregierung mit den Diesel-Fahrern nicht mehr akzeptieren.

Foto: dpa/Jens Büttner

Weil die bisherigen Diesel-Gipfel die Welle der gerichtlich verfügten Fahrverbote in Deutschland nicht aufhalten konnten, fordert FDP-Parteichef Christian Lindner von der Bundesregierung neue Maßnahmen zum Schutz der Diesel-Fahrer ein. „Wir schlagen einen sechs-Punkte-Plan für eine Diesel-Garantie und zur Sicherung der Mobilitäts- und Eigentumsrechte von Dieselfahrern vor“, heißt es in dem zweiseitigen Positionspapier, das unserer Redaktion vorliegt und das Sie hier herunterladen können.

Wegen zu hoher Stickstoffdioxid-Werte in der Luft, für die ältere Dieselfahrzeuge verantwortlich gemacht werden, haben die Gerichte Fahrverbote in etlichen deutschen Städten angeordnet. In Hamburg sind sie bereits in Kraft, Stuttgart soll Anfang 2019 folgen. Gegen entsprechende Urteile für Köln und Bonn legte die NRW-Landesregierung gestern Berufung ein.

Ungeachtet des offenen Ausgangs der noch anhängigen Verfahren drücken die erfolgten und die absehbaren Fahrverbote den Wert der betroffenen 1,3 Millionen Dieselfahrzeuge in Deutschland in den Keller. Marktbeobachter schätzen den aktuellen Wertverlust auf rund 50 Prozent. Das will die FDP nicht akzeptieren: „Nicht nur die Spareinlagen, auch rechtmäßig erworbene und vom Staat zugelassene Fahrzeuge müssen sicher sein vor staatlichen Eingriffen“, heißt es in dem Lindner-Papier.

Konkret schlägt der FDP-Chef ein „Moratorium zur Aussetzung der EU-Luftqualitätsrichtlinie“ vor. Auch weil die älteren Diesel ohnehin sukzessive vom Markt verschwänden, würden die Grenzwerte in den meisten Städten selbst ohne Eingriffe „in den kommenden ein bis zwei Jahren unterschritten“, so Lindner.

Mit Blick auf die Entschädigungszahlungen der Autobauer an ihre US-Kunden fordert der FDP-Chef: „Die deutschen Dieselkunden dürfen nicht schlechter gestellt werden als die Kunden im Ausland.“ Deshalb sollen alle Hersteller, die manipulierte Diesel in Deutschland verkauft haben, in einen nationalen Diesel-Fonds einzahlen müssen, in den auch die bereits verhängten Strafzahlungen der Unternehmen fließen sollen. „Aus diesem Fonds sollen die Dieselfahrer den Wertverlust ihrer Fahrzeuge kompensieren und wenn möglich und gewollt Nachrüstungen finanzieren können“, so Lindner. Zudem will er alle erhobenen Luftmesswerte und Modellrechnungen auf den Prüfstand gestellt wissen, weil sie zum Teil falsch interpretiert worden seien: „Messungen und Sperrungen an Autobahnen haben wenig mit der Luftqualität für Fußgänger und Radfahrer zu tun“, heißt es in dem Papier. Eine internationale Enquete-Kommission soll außerdem die Schadstoff-Grenzwerte an neueste wissenschaftliche Erkenntnisse anpassen.

Ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums wollte die vorgeschlagenen Maßnahmen nicht kommentieren. Er verwies darauf, dass die Strafzahlungen der Autobauer an die Länder flössen, die selbst über deren Verwendung entscheiden. Der Chef der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Jürgen Resch, der als wesentlicher Kläger zum Gesicht der Diesel-Fahrverbote wurde, sprach sich ebenfalls für eine Überprüfung der Grenzwerte aus. „Das wird aber eher zu einer Verschärfung führen“, sagte Resch unserer Redaktion. Der Fraktionsvize der SPD im Deutschen Bundestag, Sören Bartol, sagte zu Lindners Forderung nach einer Diesel-Garantie: „Es ist Aufgabe der Konzernvorstände, ihren Kundinnen und Kunden zu garantieren, dass diese mit den verkauften Fahrzeugen überall in Deutschland hinfahren können.“ Ein Moratorium für Grenzwerte sende „das falsche Signal, dass die Hersteller machen können, was sie wollen.“ Ähnlich äußerte sich NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU): „Ich halte es nicht für sinnvoll, an den Grenzwerten zu rütteln.“ Heinen-Esser tritt für eine zügige Nachrüstung der betroffenen Diesel-Fahrzeuge auf Kosten der Hersteller ein. „Dadurch würde sich die Luftqualität massiv verbessern“, sagte die Ministerin.

Dass die Dieselkunden Ansprüche gegen den Staat wegen der Fahrverbote geltend machen können, bezweifelt der Düsseldorfer Staatsrechtler Martin Morlok: „Das Eigentum ist geschützt, das darf man niemandem wegnehmen. Aber der Staat kann den Gebrauch einschränken“, so der Experte.

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