Konsequenzen nach Wahldebakel FDP wackelt an Westerwelles Stuhl

Berlin (RPO). Nach ihrem Wahldebakel am Wochenende wackelt die FDP am Stuhl ihres Vorsitzenden Guido Westerwelle. Präsidiumsmitglied Sabine Leutheusser-Schnarrenberger schloss Westerwelles Rückzug am Dienstag nicht aus. Inhaltlich gab Generalsekretär Chrstian Lindner eine völlig neue Linie in der Atompolitik vor: Die Liberalen setzen nun auf eine endgültige Stilllegung der acht abgeschalteten Kernkraftwerke und einen möglichst raschen Atomausstieg.

Schockstarre auf den Wahlpartys von CDU und FDP
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Die FDP war am Sonntag in Rheinland-Pfalz aus dem Landtag geflogen und hatte in Baden-Württemberg die Fünf-Prozent-Hürde nur äußerst knapp genommen. Wirtschaftsminister Rainer Brüderle hatte am Montag seinen Rückzug als rheinland-pfälzischer Landeschef angekündigt. Minister will er bleiben. Doch steht er auch in dieser Funktion und als stellvertretender Bundesvorsitzender in der Debatte.

Auch die Diskussion über Westerwelle ist wieder in vollem Gange. Die Frage, ob der Parteichef weitermachen könne, gehöre "in den Kreis unserer Gesamtüberlegungen für ein Personaltableau", sagte Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger der "Passauer Neuen Presse". Es habe bisher keine Festlegungen in den Gremien gegeben: "Wir haben im Moment eine offene Situation", sagte die bayerische Landeschefin. "Wir müssen in den Gremien auch mit den Landesvorsitzenden beraten."

Streit über Energiewende

Über Personalvorschläge will das Präsidium am kommenden Montag sprechen und eine Woche darauf entscheiden, wie die "Bild"-Zeitung meldete. Gewählt wird dann auf einem Parteitag im Mai. Dort wird auch eine Debatte über die inhaltliche Neuausrichtung der Liberalen erwartet.

Eine Kurskorrektur gab Lindner bereits vor: Die FDP will in Gesprächen mit den Atombetreibern eine Stilllegung der derzeit abgeschalteten acht alten und pannenanfälligen Kernkraftwerke erreichen - und zwar noch vor Ablauf des dreimonatigen Atom-Moratoriums. Der niedersächsische FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr meldete allerdings sofort Widerspruch an. "Ich teile die Auffassung nicht, das jetzt politisch zu entscheiden", sagte er in Hannover.

Konsequenzen gefordert

Insgesamt ist die Unruhe in der Partei groß. FDP-Finanzpolitiker Frank Schäffler verlangte personelle Konsequenzen aus der Wahlniederlage. "In der Regel übernehmen jene Verantwortung, die eine Wahl verloren haben", sagte Schäffler der Nachrichtenseite n-tv.de. Die Botschaft nach den Landtagswahlen müsse sein, "dass die FDP in wesentlichen politischen Fragen in der Koalition den Rücken gerade macht und nicht wackelt". Die FDP-Führung solle nicht auf Zeit spielen. "Der Druck auf dem Kessel ist sehr, sehr groß", warnte er.

Die Jungen Liberalen verlangten ebenfalls weitere Konsequenzen. Brüderles Rückzug als Landeschef "entschärft die Krise der Bundes-FDP nicht", sagte Juli-Chef Lasse Becker im Südwestrundfunk. Die Fehleranalyse dürfe niemanden aussparen. Auch eine Trennung der Ämter von Westerwelle als FDP-Chef und Außenminister sei letztlich "nicht ausgeschlossen", meinte Becker.

Der bayerische Landtags-Vizepräsident Jörg Rohde sagte der "Nürnberger Zeitung": "Die Frage ist, ob eine Erneuerung unterhalb des Parteivorsitzenden reicht oder ob man eine Runderneuerung inklusive Westerwelle macht." Sicher sei: "Es ist im Moment kein Ausrufezeichen hinter Westerwelle, sondern ein kleines Fragezeichen."

Der ehemalige FDP-Parteichef Wolfgang Gerhardt meinte im Deutschlandfunk: "Wir müssen einen Neustart unternehmen." Der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum sagte der "Berliner Zeitung": "Es ist dringend an der Zeit, dass jüngere, begabte Politiker wie Christian Lindner, Daniel Bahr und Philipp Rösler in der Partei in die erste Reihe rücken."

(dapd/top)
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