FDP-Verkehrsexperte Oliver Luksic „Er hat die Unwahrheit gesagt“

Interview | Berlin · Als Lehre aus dem Maut-Debakel will die FDP die Beteiligung des Parlamentes beim Abschluss von Verträgen mit hohen finanziellen Folgen für die Steuerzahler deutlich stärken. Der FDP-Verkehrsexperte Oliver Luksic spricht über die Ergebnisse des Maut-Untersuchungsausschuss und Rechtsbrüche von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU).

 Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU, M) war Ende Januar als Zeuge zur Sitzung des Maut-Untersuchungsausschusses des Bundestags geladen.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU, M) war Ende Januar als Zeuge zur Sitzung des Maut-Untersuchungsausschusses des Bundestags geladen.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Vor genau zwei Jahren wurde die Pkw-Maut nur für Ausländer vom Europäischen Gerichtshof gekippt. Mit den Hintergründen hat sich ein Untersuchungsausschuss befasst, dessen Abschlussbericht am Mittwoch im Bundestag debattiert wird. Nach Ansicht des Obmanns der FDP, Oliver Luksic, hat Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU)  großen Schaden verursacht. Scheuer hatte seinerzeit die Mautverträge vor dem Urteil unterschrieben.

Herr Luksic, was hat der Maut-Untersuchungsausschuss herausgefunden?

Luksic Verkehrsminister Scheuer hat Europa-, Vergabe- und Haushaltsrecht gebrochen. Er hat den Bundestag an mehreren Stellen falsch informiert und einen großen Schaden für den Steuerzahler verursacht.

Aber mal konkret – konnte dem Minister eine Lüge nachgewiesen werden?

Luksic Sieben Zeugen haben dargelegt, dass es ein Angebot gab an den Verkehrsminister, die Vertragsunterzeichnung und damit die Maut zu verschieben. Herr Scheuer konnte sich daran allerdings zunächst nicht erinnern; in seiner zweiten Befragung hat er dies dann bestritten. Seitens des Ministeriums gab es merkwürdigerweise zu den Gesprächen mit den Betreibern keine Verschriftlichung. Insofern glaube ich, dass Scheuer die Unwahrheit gesagt hat.

Ein Beweis ist das aber nicht.

Luksic Selbst die SPD, die lange Zeit milde mit Scheuer umgegangen ist,  sagt inzwischen, der Vorwurf der Lüge konnte nicht entkräftet werden. Insofern hat der Minister seine Bringschuld diesbezüglich nicht erfüllt. Ich bleibe dabei: Er hat die Unwahrheit gesagt.

Trotzdem ist Scheuer weiter im Amt. Wie erklären Sie sich das? 

Luksic Erstens wollte Frau Merkel keine Kabinettsumbildung. Wir wissen ja, wie zögerlich die Kanzlerin nicht nur in Personalfragen ist. Zweitens hat Herr Söder seine schützende Hand über Scheuer gehalten. Er sollte die Fehler, die beim Prestigeprojekt der CSU gemacht wurden, auch ausbaden und damit Söder aus der Schusslinie nehmen. Dann kamen die Corona-Krise und der Wirecard-Skandal, so dass die Aufmerksamkeit hinsichtlich des Maut-Debakels nachgelassen hat. Die Erkenntnisse des Ausschusses reichen allerdings für drei Rücktritte.

Welche Lehren müssen jetzt aus dem Maut-Debakel gezogen werden?

Luksic Wir haben von Anfang an davor gewarnt, dass eine Maut nur für ausländische Fahrer europarechtlich nicht funktionieren wird. Auch, dass die Bürokratiekosten für so ein Vorhaben viel zu hoch sein werden. Das hat sich bestätigt. Wichtig ist aus unserer Sicht, dass die Organisationsstrukturen innerhalb des Ministeriums geändert werden. So arbeitet die Vergabestelle nicht wirklich unabhängig. Das Haushaltsreferat wurde zum Teil extra ausgenommen. Vor allem aber muss die Parlamentsbeteiligung bei Verträgen mit so hohen finanziellen Auswirkungen deutlich gestärkt werden.

Was würde das bedeuten?

Luksic Na ja, Scheuer hat einen Vertrag unterschrieben und gekündigt, dessen Auswirkungen er nicht verstanden hat. Der Kontrakt war dem Parlament nicht bekannt. Der Bundestag mit seiner Expertise sollte künftig eingebunden werden, wenn es um Vertragsvolumen ab einer dreistelligen Millionenhöhe geht.   

Kommen auf den Steuerzahler denn wohl höhere Kosten zu als die rund 500 Millionen Euro, die im Raum stehen?

Luksic Das Verkehrsministerium hatte ja schon rund 100 Millionen Euro ausgegeben für die Umsetzung der Maut. Das Schiedsverfahren zwischen den Betreibern und dem Ministerium läuft. Wir haben vor dem Verfassungsgericht geklagt, weil wir selbst in geheimer Sitzung des Untersuchungsausschusses keine Antworten zu den finanziellen Folgen bekommen haben. Wir kennen also weder die Streithöhe noch den Verfahrenskalender. Ich glaube, Scheuer blockiert und verzögert hier bewusst. Er will sich über die Bundestagswahl retten.

Können Sie sich vorstellen, dass Scheuer danach nochmal Verkehrsminister wird? 

Luksic Ich kann mir bei der CSU vieles vorstellen. Aber das halte ich für unwahrscheinlich.

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