Liberale in Niedersachsen FDP plant Wahlkampfauftritte mit Rösler

Berlin · FDP-Chef Rösler steht mal wieder unter Druck. In einem Interview stellt der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki Rösler als Vorsitzenden infrage. Trotz der heftigen Kritik will die niedersächsische FDP mit Rösler als Spitzenkandidat bei den Bundestagswahlen antreten.

Das ist Philipp Rösler
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Es hätte ein guter Tag für Philipp Rösler werden können. Der FDP-Chef durfte am Mittwoch als Vizekanzler in Vertretung der urlaubenden Kanzlerin die Kabinettssitzung in Berlin leiten. Entspannt und humorvoll sei es zugegangen, berichtete ein Bundesminister hinterher. Ein Gesetz zur weiteren Befreiung der Industrie von der Energiesteuer wurde auch noch verabschiedet, ganz im Sinne des liberalen Bundeswirtschaftsministers.

Wäre da nicht die Agenturmeldung am frühen Morgen gewesen, die Rösler noch vor der Sitzung des Kabinetts erreichte. Der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kubicki, in der Partei berüchtigt für seine harschen Worte gegen die Parteiführung, hatte sich in einem Interview mit dem "Stern" großflächig über die Eignung Röslers als Parteichef, die schlechten Umfragewerte für die Liberalen und die vermeintlich falsche Ausrichtung der Partei ausgelassen. Mal wieder.

Sollte die Landtagswahl in Niedersachsen im Januar 2013 verloren gehen, müsse es Konsequenzen geben, so Kubicki. "Dann muss etwas passieren." Auf die Frage, ob die Partei dann auch einen neuen Bundesvorsitzenden brauche, sagte der 60-Jährige nur kühl: "Mehr als das. Dann brauchen wir vor allem eine neue politische Ausrichtung." Damit war der Angriff gegen den ohnehin schwer unter Druck stehenden FDP-Chef gesetzt. Schon vor einigen Wochen hatte Kubicki im Gespräch mit Vertrauten getönt, dass er "im August" etwas machen werde, was in Berlin gehört würde.

In dem Interview forderte Kubicki, der als Spitzenkandidat für die Nord-FDP bei der Landtagswahl im Mai überraschend 8,2 Prozent erzielte, mal eben auch einen politischen Richtungswechsel und plädierte für eine Koalition aus SPD, Grünen und FDP nach der Bundestagswahl 2013: "Mit Peer Steinbrück als Kanzler könnte ich mir ein Ampelbündnis sofort vorstellen."

An der Spitze der FDP sähe Kubicki dann am liebsten den Vorsitzenden der NRW-FDP, Christian Lindner: "Er ist für mich der geborene neue Bundesvorsitzende. Aber er hat erklärt, dass er seine Aufgabe zunächst in Nordrhein-Westfalen sieht." Auch Fraktionschef Rainer Brüderle oder Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger "können Menschen begeistern", sagte Kubicki. Und er selbst überlege, für den Bundestag zu kandidieren und nach Jahren der Landespolitik doch nach Berlin zu gehen.

Dort wurden die Äußerungen des parteiintern als "Quartalsirrer" abgestempelten Politikers mit einem Stöhnen aufgenommen. "Der hat in einem einzigen Interview mal eben alles infrage gestellt, was wir hier in Berlin seit Monaten machen", sagte ein Mitglied der FDP-Bundestagsfraktion. Dabei hatte die FDP laut einer aktuellen Umfrage gerade erstmals im Bund wieder die Fünf-Prozent-Marke erreicht.

"Was die FDP jetzt braucht, ist Geschlossenheit und nicht ständige Störfeuer eines politischen Pyromanen aus dem Norden", wetterte der niedersächsische FDP-Chef Stefan Birkner. Kubicki schade der Partei, im Bund und in Niedersachsen. "Philipp Rösler ist und bleibt Parteivorsitzender."

Nach Ansicht führender Parteipolitiker wird bei der Wahl in Röslers Heimatland auch über die Zukunft des Parteichefs abgestimmt. In Niedersachsen ist Rösler beliebt und geschätzt, doch der Einzug in den Landtag ist für die Niedersachsen-FDP noch lange nicht gesichert. Derzeit liegen die Liberalen bei vier Prozent. Die Landespartei will trotzdem mit Rösler in den Wahlkampf ziehen und plant auch gemeinsame Auftritte.

Rösler soll als Spitzenkandidat der Landes-FDP für die Bundestagswahl im Wahlkreis Hannover-Land nominiert werden. Birkner ergänzte, dass Rösler als FDP-Chef die richtigen Themen formuliere und in der Euro-Krise Haltung beweise. "Er muss sich angesichts der europapolitischen Probleme um wichtigere Dinge kümmern als die Karriere-Fantasien des Herrn Kubicki."

Kubicki ruderte am Nachmittag zurück und erklärte, dass sich die Frage nach einer Ablösung Philipp Röslers nicht stelle. Parteifreunde werteten dies als taktische Maßnahme, um die Situation nicht eskalieren zu lassen. Die Botschaft, "Der da oben kann es nicht" war längst gesetzt. Schnell sammelten sich aber auch Unterstützer für Rösler. Der treue Generalsekretär Patrick Döring wies die Forderungen Kubickis zurück. Auch die Landeschefs in Bremen und Hessen kritisierten Kubicki.

Auffallend war, dass Röslers größter Widersacher, NRW-FDP-Chef Lindner, sich nicht zur neuerlichen Debatte äußern wollte. Vor einer Woche hatte sich Lindner in einem Interview vorsichtig in der Europapolitik von Rösler abgesetzt. Auf die Frage, ob Rösler noch der richtige FDP-Chef und Wirtschaftsminister sei, sagte Lindner: "Diese sommerlichen Personaldebatten sind mir zu unernst." Unterstützung sieht anders aus. Intern hat der Chef der NRW-Landtagsfraktion aber versichert, sich auf Düsseldorf konzentrieren zu wollen und keine Personaldebatten anzuzetteln.

Trotzdem wird in der Parteispitze spekuliert, ob Kubicki und Lindner, die sich in den Landtagswahlkämpfen eng abstimmten, eine Strategie der Zermürbung Röslers verfolgen. Dass Lindner auf Bitten mehrerer Landeschefs doch noch als Spitzenkandidat der FDP in den Bundestagswahlkampf ziehen und Rösler schon 2013 beerben könnte, gilt vielen als realistisches Szenario.

Entscheidend dürfte sein, wann und wie sich der einflussreiche FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle in die Debatte einschaltet. Gestern wollte sich Brüderle nicht äußern. Ein Interesse an einem Putsch gegen Rösler hat er nicht, wie Brüderles Umfeld seit Monaten glaubhaft versichert.

Brüderle wäre als Parteichef selbst schnell in der Situation, die schlechten Umfragewerte verkaufen zu müssen. Zudem fühlt sich Brüderle auf seinem Posten wohl. Sollte es nach einer verlorenen Niedersachsen-Wahl aber auf ihn als Interims-Parteichef zulaufen, dürfte der ehrgeizige 67-Jährige nicht zögern. Röslers Zukunft hängt auch von Brüderles Rückhalt ab.

(brö)
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