Kanzlerin in Jerusalem Merkel besorgt über israelische Siedlungspolitik

Berlin/Jerusalem · Bei den siebten deutsch-israelischen Regierungskonsultationen beschließen die beiden Kabinette in Jerusalem die Gründung eines Jugendwerks.

Es klang wie das Eingeständnis tiefgreifender Meinungsunterschiede, als Bundeskanzlerin Angela Merkel am Rande der deutsch-israelischen Regierungskonsultationen in Jerusalem einerseits von einer „guten Partnerschaft“ sprach, andererseits jedoch hinzufügte, dass diese durchaus „kritische Diskussionen aushält“. Die Gesprächstermine der Kanzlerin und ihrer Minister mit ihren israelischen Amtskollegen hatten also zumindest in Teilen den Charakter von Belastungstests.

Dabei fiel es der Kanzlerin überhaupt nicht schwer, auch die deutsche Verantwortung erneut in den Mittelpunkt zu stellen. Sie legte in Yad Vashem, der Gedenkstätte für sechs Millionen ermordete Juden, einen Kranz nieder und erinnerte im Gästebuch an die Pogromnacht vor fast 80 Jahren. „Daraus erwächst die immerwährende Verantwortung Deutschlands, an dieses Verbrechen zu erinnern und Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Hass und Gewalt entgegenzutreten,“ fügte sie hinzu. Zugleich verwies die Kanzlerin darauf, dass es wieder „blühendes jüdisches Leben“ in Deutschland gebe, das inzwischen „Teil der Identität Deutschlands“ geworden sei. Die Universität Haifa verlieh der Kanzlerin für ihr deutsch-israelisches Engagement die Ehrendoktorwürde. Bei einer Diskussion mit Studenten sagte Merkel, dass sie von der Gefährdung Israels durch eine atomare Bewaffnung des Irans „sehr, sehr überzeugt“ sei.

Nach Gesprächen mit Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu verwendete sie jedoch die Formel, dass sich Israel und Deutschland in der Iran-Frage im Ziel einig seien, im Weg dorthin jedoch nicht. Israel verlangt von Deutschland, sich wie die USA vom Iran-Deal zu distanzieren. Merkel will die Beteiligten hingegen dazu überreden, an dem Abkommen festzuhalten.

Offenbar aus Verärgerung über neue Siedlungspläne in den von Israel besetzten Gebieten war das im vergangenen Jahr geplante Treffen beider Regierungen von Merkel abgesagt worden. In diesem Jahr belastete im Vorfeld die Entscheidung der israelischen Regierung, die Beduinensiedlung Chan al Ahmar abzureißen. Der Konflikt erreichte auch die deutsche Delegation, als Kinder und Jugendliche Merkel dazu aufforderten, ihre Schule in Chan al Ahmar zu retten. Merkel berichtete, sie habe in ihrem Gespräch mit Netanjahu auch ihre Sorge über die Siedlungspolitik zum Ausdruck gebracht. Damit erschwere das Land die Bemühungen um eine Zweistaaten-Lösung des Konfliktes mit den Palästinensern.

FDP-Außenexperte Alexander Graf Lambsdorff forderte Merkel auf, den Worten über die Gründung eines deutsch-israelischen Jugendwerks baldmöglichst Taten folgen zu lassen. „Der vorhersehbare Abschied von den letzten Überlebenden des Holocaust macht eine solche Förderung des Jugendaustausches notwendig, um den Dialog über Geschichte und Zukunft der deutsch-israelischen Beziehungen aufrechtzuerhalten“, sagte Lambsdorff unserer Redaktion.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort