Gabriel will Gespräche über Energiekonsens FDP hält an AKW-Laufzeiten fest

Berlin (RPO). Der schwarz-gelben Koalition droht Streit über eine mögliche Neuausrichtung der Atompolitik. FDP-Chef Guido Westerwelle hält die von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ins Gespräch gebrachten kürzeren Laufzeiten der Atomkraftwerke nicht für beschlossene Sache. SPD-Chef Sigmar Gabriel bot Merkel sofortige Gespräche über einen neuen Energiekonsens bei einem Ausstieg aus der Atomenergie bis 2020 an.

So geht Europa mit Atomkraft um
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Foto: dapd

Am Freitagabend nahm Betreiber RWE das älteste deutsche Atomkraftwerk Biblis A komplett vom Netz. Damit waren eine Woche nach dem Erdbeben von Japan die sieben ältesten deutschen Akw zumindest vorläufig abgeschaltet. Merkel hatte in einer Regierungserklärung am Donnerstag angekündigt, die Energiewende in Deutschland womöglich zu beschleunigen.

Von dieser Ankündigung distanzierte sich Westerwelle im "Spiegel". "Ich wäre mit konkreten Schlussfolgerungen vorsichtig", sagte er dem Magazin. Er wolle die Regierungserklärung nicht interpretieren. Er maße sich aber nicht an, so wenige Tage nach dem Atomdesaster in Japan schon eine ausreichende Antwort zu haben, was alles zu tun sei.

Nach Informationen des Magazins distanzierte sich auch der liberale Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle vom Kurswechsel Merkels. Brüderle habe in der Sitzung der FDP-Fraktion am vergangenen Dienstag gesagt, keine andere Nation habe als Konsequenz der Reaktorkatastrophe in Fukushima so hektisch Beschlüsse gefasst wie Deutschland.

Jeder Zweite hält Merkels Krisenmanagement für schlecht

Das Atom-Krisenmanagement von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kommt bei vielen Bundesbürger nicht gut an. In einer am Samstag veröffentlichten Emnid-Umfrage für das Nachrichtenmagazin "Focus" bewerteten 48 Prozent Merkels Vorgehen nach der Atomkatastrophe in Japan als schlecht. 40 Prozent fanden es gut. Zwölf Prozent machten keine Angaben.

Auch die Atomwende der Bundesregierung führte der Umfrage zufolge nicht zu einem messbaren Image-Schub für Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU). 47 Prozent äußerten sich unzufrieden mit seiner Arbeit. 32 Prozent zeigten sich zufrieden.

Gabriel fordert überparteilichen Energiekonsens

Gabriel sagte der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung, angesichts des Desasters in Japan hoffe er quer durch die Lager auf eine neue Bereitschaft zur Arbeit an einem überparteilichen Energiekonsens. "Die Gespräche können sofort beginnen." Diese Chance müsse jetzt auch genutzt werden, unabhängig von den Landtagswahlen dieses Jahres. Gabriel verlangt als Ergebnis der Gespräche einen konkreten Zeitplan für einen vollständigen Atomausstieg bis zum Jahr 2020.

Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) forderte in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", den Atomausstieg zu beschleunigen. "Wir müssen alles daran setzen, schneller aus der Kernenergie herauszukommen", sagte Röttgen. Merkel will derweil in der Europäischen Union für einheitliche Sicherheitsstandards von Atomkraftwerken kämpfen.

Röttgen will Standarts für Europa

In Europa gebe es selbst für die Größe von Äpfeln einheitliche Standards - deshalb könne "doch wirklich auch über gleiche Sicherheitsstandards für alle europäischen Kernkraftwerke" gesprochen werden, zumal jeder in Europa von einem Unfall eines Akw gleichermaßen betroffen wäre, sagte Merkel in ihrer wöchentlichen Video-Botschaft.

Die SPD wird bereits kommende Woche dem Bundestag ein Gesetz zur sofortigen und endgültigen Abschaltung der älteren Atomkraftwerke vorlegen. Dies kündigte SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann an. Merkel hat diesem Vorschlag bereits eine Absage erteilt.

Brüderle bestätigte dem Onlinedienst Bild.de, am Montag ein Gesetz vorlegen zu wollen, das als Konsequenz aus dem Atom-Moratorium einen wesentlich schnelleren Ausbau der Stromnetze für Energie aus Biomasse, Erdwärme, Wind, Solar und Wasser vorsehe. "Wenn wir schneller in das Zeitalter der Erneuerbaren Energien wollen, müssen wir diese Leitungen schnellstmöglich bauen."

NRW-CDU fordert Bürgerbefragung

Die CDU in Nordrhein-Westfalen regt eine bundesweite Mitgliederbefragung zur Zukunft der Atomenergie an. Die Landespartei habe gute Erfahrungen mit Mitgliederbefragungen gemacht, sagte Generalsekretär Oliver Wittke unserer Redaktion.

In den drei Monaten des Moratoriums, in dem die Laufzeitverlängerung für ältere Atomkraftwerke ausgesetzt ist, müsse etwas geschehen: "Es kann nicht sein, dass eine kleine Gruppe - die Bundesregierung oder die Fraktion - über den künftigen Atomkurs bestimmt", betonte Wittke. Er selbst sei der Ansicht, dass der Ausstieg deutlich früher erfolgen müsse - sogar noch früher, als von Rot-Grün geplant.

Söder fordert vom Bund Milliarden für erneuerbare Energien

Der bayerische Umweltminister Markus Söder (CSU) hat den Bund aufgefordert, sechs Milliarden Euro zum Ausbau erneuerbarer Energien bereitzustellen. "Wir brauchen ein neues nationales Energiekonzept", sagte Söder dem Nachrichtenmagazin "Focus" laut Vorabbericht vom Samstag.

Ein Drittel der Summe solle in die Forschung und Entwicklung von Speichertechnologien fließen. Damit könnten erneuerbare Energien anders als bisher auch Grundlast-Funktionen übernehmen. Zwei Milliarden Euro soll der Bund in die Ausweitung der Steuerbefreiung für Elektroautos und andere Förderprogramme zur Förderung der Elektromobilität stecken. Mit einer Milliarde Euro soll der Bund dann den Ausbau regionaler Verteilnetze fördern. Eine weitere Milliarde Euro schließlich soll den Bau von Stromtrassen beschleunigen, die Strom von Windkraftanlagen von der Küste in den Süden Deutschlands transportieren.

(AFP/DAPD/AP)
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