Dreikönigstreffen in Stuttgart FDP-Duo will Union treiben

Stuttgart (RP). Beim Dreikönigstreffen gab sich FDP-Chef Guido Westerwelle weiter als Verfechter einer Entlastungspolitik. Der neue Generalsekretär Christian Lindner betonte in seiner umjubelten Rede stärker die soziale Verantwortung.

Dreikönigstreffen der FDP 2010
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Dreikönigstreffen der FDP 2010

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Gut gelaunt und aufreißend lässig präsentiert sich FDP-Chef Guido Westerwelle gleich zu Beginn seiner Rede auf der traditionellen Dreikönigskundgebung der Liberalen in Stuttgart. "Ich mag euch", ruft er protestierenden Atomkraftgegnern im Oberrang des Opernsaals zu. "Eure Meinung ist zwar Unfug", duzt er rheinisch-überheblich die Demonstranten mit den gelben Plakaten. "Aber wir sind Liberale. Und wir sind dafür, dass ihr eure Meinung sagen dürft."

Das Lächeln auf dem vom Ägypten-Urlaub gebräunten Gesicht sollte Westerwelle in den folgenden 60 Minuten nicht mehr verlieren. Die Streitereien in der Koalition, die sinkenden persönlichen Umfragewerte ­— all das blendet Westerwelle aus. Der FDP-Politiker, der elf lange Jahre das Dreikönigstreffen als Oppositionspolitiker erleben musste und nur Forderungen stellen durfte, ist jetzt Vizekanzler. Warum also grämen?

Leistungsträger-Rede: kernig und rhetorisch sauber

Im Grundsatz ist es eine dieser Leistungsträger-Reden, die Westerwelle seit seiner Zeit als Generalsekretär nach 1994 oft gehalten hat. Kernig, rhetorisch sauber und stets auf das Thema Entlastung der Mittelschicht fokussiert. Nur gelegentlich gespickt von neuen, bedeutungsschweren Eindrücken aus dem Leben eines Außenministers. Westerwelles Botschaft: Die "vergessene Mitte" müsse durch Entlastungen gestärkt werden. Die freiheitliche Politik sei Grundlage für Wachstum und Wohlstand. Es ist Westerwelles liberaler Leitfaden, den er sich auch nicht von skeptischen Unions-Politikern und einer Rekordverschuldung aus der Hand nehmen lassen will.

Eine "geistig-politische Wende", proklamiert er in leichter Abwandlung der "geistig-moralischen" Wende der schwarz-gelben Bundesregierung von 1982. Damit meint er, dass die "Abkassiererei" derjenigen ein Ende haben müsse, "die den Karren ziehen." Nicht fehlen darf das liberale Mantra: "Leistung muss sich lohnen." Westerwelle sieht sich als Chefmotivator der Leistungsträger in der Gesellschaft, als fleischgewordene Stütze des Aufschwungs. Man müsse wieder mehr über Chancen reden, bittet Westerwelle staatsmännisch. Deutschland müsse wieder Spitze in Europa und in der Welt werden.

Deutschland muss wieder Spitze werden

In der liberalen Welt geht das nur mit Steuersenkungen. "Wir werden unbeirrt an diesem Kurs festhalten", sagt er. Von "Steuergeschenken" könne keine Rede sein, ereifert sich der FDP-Politiker. Der Steuerzahler schenke dem Staat etwas, nicht umgekehrt. Applaus bei den rund 1000 Anhängern im Saal.

Wer peppige Angriffe auf den politischen Gegner, oder derzeit innerparteilich noch wichtiger, auf den Lieblingsfeind im Süden, die CSU, erhofft hatte, wird enttäuscht. Westerwelle bremst. Milde kommentiert der Chefdiplomat der Regierung den Koalitionsstreit. "Manchmal rumpelt es ein wenig." Aber entscheidend sei doch "was hinten rauskommt".

Lindners erste Rede sorgt für Jubel

Für Begeisterung sorgt Christian Lindner in seiner ersten Rede als Generalsekretär. Der smarte Politologe, der heute 31 Jahre alt wird, wirkt mit seiner knapp 20-minütigen, intellektuell anspruchsvollen Rede wie der Jungbrunnen für eine in die Jahre gekommene Steuersenkungspartei. Das Motto der Rede, die Lindner im Urlaub am Strand von Fuerteventura entworfen und noch am Dienstag seinem Parteichef probeweise vorgetragen hatte, hätte auch "Mehr Sozialdemokratie wagen" heißen können.

"Sozialen Aufstieg durch Bildung und Arbeit", verspricht der aus dem bergischen Wermelskirchen stammende FDP-Politiker als die neue Aufgabe der Liberalen. Frech reklamiert er die "Deutungshoheit über die soziale Gerechtigkeit" für die FDP, verspricht eine bezahlbare Gesundheit für alle und will mit dem Bürgergeld den Bürger vom Bittstellerstatus befreien. Es dürfe keine antriebslose "Gesellschaft von Taschengeldempfängern" kreiert werden. Einen "beschämenden Mangel an Fairness", sieht Lindner gar. Da muss selbst Guido Westerwelle auf dem Podium schmunzeln. Stehende Ovationen beenden den Auftritt Lindners.

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