Fall Sebastian Edathy "Operation Spaten" führte zu 384 Festnahmen

Edmonton · Die Zerschlagung eines Kinderporno-Rings in Toronto 2011 hat zu einer weltweiten Fahndungswelle geführt. Ermittler stießen dabei auf eine Kundenliste, die nach einem Medienbericht möglicherweise auch Hinweise auf den SPD-Politiker Sebastian Edathy enthielt.

 Sebastian Edathy hatte am Freitag überraschend seinen Rückzug aus dem Bundestag angekündigt.

Sebastian Edathy hatte am Freitag überraschend seinen Rückzug aus dem Bundestag angekündigt.

Foto: Michael Reichel

Die "Operation Spaten" begann an einem Herbsttag im Jahr 2010. Der kanadische Undercover-Polizist Paul Krawczyk loggte sich auf einer Website ein, gab sich als Kunde aus und lud Fotos herunter. Was darauf zu sehen war, beschrieben Ermittler drei Jahre später bei einer Pressekonferenz in Toronto so: "Entsetzliche sexuelle Handlungen an Minderjährigen — so schlimm, wie wir sie selten gesehen haben."

Krawczyk und seine Beamten entdeckten auf der Seite eine der größten kinderpornografischen Sammlungen, die Ermittler weltweit jemals zu Gesicht bekommen hatten. Die Sammlung umfasste Hunderttausende Fotos und Videos. Würde man die Bilder physisch übereinanderlegen, hätte der Stapel eine Höhe von 1500 Fernsehtürmen.

Die Polizisten ermittelt auch den mutmaßlichen Hintermann: Der 42-jährige Brian W. ist Eigentümer des kanadischen Video-Händlers Azov Films. W. war den Ermittlern schon Jahre zuvor als Besitzer eines Vertriebes für sogenannte Naturalisten-Aufnahmen aufgefallen. Damals reichten die Beweise jedoch nicht aus, W. tauchte unter.

Im Mai 2011 aber war es dann soweit: Bei einer Razzia in W.s Privat- und Büroräumen in Toronto stellten die Beamten umfangreiches Beweismaterial sicher, darunter 500 Filme und knapp 300.000 Fotos. Die Ermittler stießen auch auf eine Kundenliste, die nach einem Bericht des "Spiegel" möglicherweise auch Hinweise auf den SPD-Politiker Sebastian Edathy enthielt.

Die Kunden sollen kanadischen Medien zufolge aus 50 Ländern gekommen sein, darunter auch aus Deutschland, Spanien, Mexiko und Australien. Sie alle sollen dem Kanadier einen Gewinn von mehr als vier Millionen Dollar (umgerechnet 2,7 Millionen Euro) beschert haben.

Die Kanadier gaben die Namen der Kunden zunächst an die US-Behörden weiter, später an Interpol. In den Folgemonaten kam es im Rahmen der "Operation Spaten" weltweit zu 384 Festnahmen, 108 waren es allein in Kanada. In Nordamerika wurden die Ermittlungen im Herbst 2013 abgeschlossen, in vielen anderen Ländern dagegen dauern sie noch an. Bislang wurden 386 Kinder aus den Fängen ihrer Peiniger befreit, die allermeisten von ihnen in den USA und Osteuropa.

Brian W. sitzt derweil in Kanada in Untersuchungshaft. Gegen ihn wird Anklage in 24 Punkten erhoben. Dazu gehören die Bildung einer kriminellen Vereinigung sowie der Besitz und Vertrieb von kinderpornografischem Material. In Kanada rechnet man damit, dass die Verfahren gegen W. noch mehrere Jahre dauern werden.

(RP)
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