Ex-Innenminister informierte SPD-Chef früh Fall Edathy entwickelt sich zur Staatsaffäre

Berlin · Minister, die andere Politiker vertraulich über bevorstehende staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen Parteifreunde informieren – das sind für gewöhnlich schmierige Szenen aus Kinofilmen über Bananenrepubliken. Dass die Ermittlungen gegen den SPD-Innenexperten Sebastian Edathy sich nun unversehens zur Staatsaffäre entwickeln, läuft bei den meisten Protagonisten unter der Rubrik "schwer vorstellbar".

Chronologie des Falles Edathy
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Foto: dpa, han jhe cul

Minister, die andere Politiker vertraulich über bevorstehende staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen Parteifreunde informieren — das sind für gewöhnlich schmierige Szenen aus Kinofilmen über Bananenrepubliken. Dass die Ermittlungen gegen den SPD-Innenexperten Sebastian Edathy sich nun unversehens zur Staatsaffäre entwickeln, läuft bei den meisten Protagonisten unter der Rubrik "schwer vorstellbar".

Sie alle wussten seit Langem, was die Republik erst an diesem Dienstag unter der (vom Betroffenen dementierten) Schlagzeile "Kinderporno-Verdacht gegen Edathy" aufschreckte. Friedrich, seinerzeit noch als Innenminister auch über Fahndungen des Bundeskriminalamtes auf dem Laufenden, gab bereits im Oktober die Information an Gabriel weiter.

Ermittler fanden offenbar nur einen intakten Rechner

Von dort nahm sie ihren Lauf — ob dadurch auch Edathy selbst gewarnt wurde, blieb am Donnerstag unklar. Jedenfalls fanden Ermittler bei einer Durchsuchung von Büros und Wohnräumen Edathys nach Medieninformationen offenbar nur einen intakten Rechner und Reste zerstörter Festplatten. Es habe so gewirkt, als hätte sich Edathy generalstabsmäßig auf die Durchsuchungen vorbereiten können.

Nach Darstellung Oppermanns soll Friedrich den SPD-Chef Gabriel im Oktober angesprochen und ihm berichtet haben, dass im Rahmen von Ermittlungen im Ausland Edathys Name aufgetaucht sei. Es gehe ausdrücklich nicht um strafbare Inhalte, aber es werde möglicherweise auch zu solchen Ermittlungen kommen, soll Friedrich erläutert haben.

Gabriel leitete diese Information an den damaligen Fraktionschef Steinmeier und den damaligen Fraktionsgeschäftsführer Oppermann weiter. Dieser am Donnerstag wörtlich: "Ich habe mir diese Information im Oktober 2013 in einem Telefonat von BKA-Präsident Jörg Ziercke bestätigen lassen." Der bestreitet dies. Es habe zwar ein Telefonat zu diesem Sachverhalt gegeben, aber bestätigt habe er nichts.

Jedenfalls gab Oppermann die Information im Dezember auch an seine Amtsnachfolgerin Lambrecht weiter. Und auch hier gibt es erste Widersprüche. Denn die Politikerin hatte noch am Dienstag versichert, erst durch Medienberichte davon erfahren zu haben. Am Donnerstag erläuterte sie, dass sie sich damit auf das Verfahren der Staatsanwaltschaft Hannover und die angeblichen Verdachtsgründe bezogen habe.

Erste Rücktrittsforderung gegen Friedrich

Besonders eng wurde es am Donnerstagabend für Ex-Innenminister Friedrich. Die Staatsanwaltschaft bestätigte, den Verdacht eines Geheimnisverrates zu prüfen. Schleswig-Holsteins Innenminister Andreas Breitner (SPD) forderte bereits Friedrichs Rücktritt: "Wenn ein Bundesinnenminister in einem Ermittlungsverfahren das Umfeld eines Beschuldigten über das Verfahren selbst informiert, dann ist er für ein Kabinett völlig untragbar", sagte Breitner.

Doch die Information war noch breiter gestreut. So bestätigte das niedersächsische Innenministerium, dass die Polizei Ressortchef Pistorius von dem Verdacht gegen Edathy berichtete. Die Liste mit den aufgedeckten Computeranschlüssen und Edathys Name könnten zudem sämtlichen Landeskriminalämtern vorgelegen haben.

Friedrich ließ erläutern, er habe eine Veröffentlichung dieser Liste befürchtet und angesichts der "politischen Dimension" Gabriel vertraulich informiert. Tatsächlich spielte der prominente Edathy, der zuletzt den stark beachteten NSU-Untersuchungsausschuss geleitet hatte, bei der Posten-Besetzung der großen Koalition dann keine Rolle mehr. Oppermann berichtete, dass SPD-Innenpolitiker Michael Hartmann sich besorgt über Edathys Gesundheit geäußert und er ihn daraufhin gebeten habe, sich zu kümmern. Laut Parteifreunden schrieb Edathy in einer SMS: "Man hat eine Existenz vernichtet."

Schnelle Klärung gefordert

Der Fall müsse schnellstens geklärt werden, forderte der Chef der CDU-Fraktionsvorsitzenden-Konferenz, Mike Mohring: "Wer wusste wann was im Fall Edathy?", fragte Mohring. "Amtsgeheimnis" und "Unschuldsvermutung" seien zwei Begriffe, die antiquiert klängen, auf denen aber der Rechtsstaat fuße.

Am Abend traf Kanzlerin Angela Merkel mit den unionsgeführten Ministerpräsidenten zusammen. Dabei sollte es eigentlich um die Energiewende gehen, die durch die Forderung von CSU-Chef Horst Seehofer nach einem Stromtrassen-Moratorium kompliziert geworden ist. Nun bekamen es Merkel und Seehofer auch mit einer komplizierten Personalie zu tun.

(may-/qua)
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